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Heute zeige ich euch ein Uhrwerk, dass meiner Meinung nach nicht unbedingt zu den Glanzlichtern der Uhrmacherei gehört – das Swatch Sistem51.
Nach einigen Jahren Entwicklungszeit stellte Swatch 2013 das Sistem51 vor, ein neues Automatikwerk, das im Wesenentlichen drei Anforderungen erfüllt:
- Niedrigste Herstellungskosten
- Vollständig automatischer Zusammenbau durch Maschinen
- Absolute Wartungsfreiheit
Das Sistem51 hat seinen Namen von den insgesamt 51 Bauteilen, die sich in fünf Modulen gruppieren:
So sieht eine der ersten mit dem Sistem51 verkauften Uhren aus:
Das Gehäuse besteht aus Kunststoff und lässt sich weder von oben noch von unten gewaltfrei öffnen. Um an das Werk zu kommen, musste ich also zu etwas unorthodoxen Methoden der Uhrmacherei greifen:
Das Zifferblatt ist nur aufgelegt, nicht am Werk befestigt!
Schauen wir uns das Werk und die zugehörigen Daten etwas genauer an:
- Durchmesser 14 ¾ Linien (33 mm, mit Rotor 33,7 mm), Höhe 4,8 mm
- 19 Steine
- Ankerhemmung mit Anker und Ankerrad aus Kunststoff
- Automatik (unidirektionaler Aufzug, Handaufzug möglich)
- Minute, Stunde, Zentralsekunde (ohne Sekundenstopp)
- Datum (Schnellschaltung auf mittlerer Kronenposition)
- Gangreserve 90 Stunden (sehr viel!)
- 21.600 A/h
- Platine und Brücken aus amagnetischem ARCAP (Legierung aus Kupfer, Nickel und Zink)
- St0ßsicherung Nivachoc (von Nivarox FAR, Teil der Swatch-Gruppe):
Das Werk besitzt nur eine einzige Schraube, die den Rotor befestigt. Dieser ist durchsichtig und besteht aus Kunststoff. Alle anderen Schrauben eines Werkes wurden durch Vernietungen ersetzt (im nächsten Bild rot markiert), das Werk kann also nicht zerlegt werden, um es zu reinigen oder zu reparieren.
Ich wollte das Werk dann doch nicht zerstören, daher hier ein geliehenes Bild der Einzelteile:
Der Hersteller des Werkes, ETA (Teil der Swatch Group), gibt für das Werk eine Ganggenauigkeit von +/- 10 Sekunden pro Tag an.
Mein Exemplar zeigte allerdings auf der Zeitwaage sehr schlechte und zudem sehr stark schwankende Werte an:
Die Schwankungen ruhen vermutlich daher, dass die Zeitwaage das “Ticken” der aus Kunststoff bestehenden Hemmung nicht immer sauber auflösen kann. Auch die Amplitude, der “Ausschlagwinkel” der Unruh, ist sehr gering. Bei den meisten Uhrwerken liegt diese bei mindestens 250 °.
Da das Werk einmalig bei der Herstellung reguliert wird, gibt es auch keine Möglichkeiten, den Gang oder den Abfall nachzuregulieren. Aber das ist bei einem Wegwerfwerk in einer hermetisch verschlossenen Uhr durchaus konsequent.
Wer nun glaubt, dass nicht reparierbare Werke, die größtenteils aus Kunststoff bestehen, eine neue Errungenschaft sind, irrt sich. Bereits Anfang der 1970er brachte Tissot die sogenannten Autolub-Werke 2251, 2270 und 2271 auf den Markt:
Ihnen war damals kein Erfolg beschieden, da diese Werke keineswegs zuverlässig und wartungsfrei waren. Heute sind gut laufende Exemplare nur noch recht selten anzutreffen.
Ob die Sistem51-Werke in Swatch-Uhren ein Erfolg werden, wird die Zukunft zeigen. Einerseits stellen sie einen interessanten Ansatz dar, relativ günstige mechanische Uhren anbieten zu können. Andererseits stellt es jedem Uhrwerke-Fan die Nackenhaare auf, wenn Uhrwerke als Wegwerfartikel konzipiert werden…