Wintermantel: Miniatur-Uhren aus dem Schwarzwald

Wanduhren sind normalerweise so gar nicht mein Metier. Die hier gezeigten sind aber so klein und niedlich, dass es sich lohnt, sie näher vorzustellen. Es geht hier um Miniatur-Uhren der Firma Wintermantel aus Triberg im Schwarzwald.

Zielgruppe dieser Nippesuhren waren zweifellos Touristen, die ein kleines Andenken an den Schwarzwald mit nach Hause nehmen wollten.

Die Firma Wintermantel

Um Namensverwechslungen zu vermeiden, müssen wir zunächst kurz klären, um welche Firma Wintermantel aus Triberg es sich hier handelt!

1881 gründeten Gerson Wintermantel, August Schatz, Joseph
Schöpperle, Karl und German Kienzler sowie Albert Fehrenbach in Triberg die Firma G. Wintermantel & Co., die etwas später in Schatz & Wintermantel umbenannt wurde. Die Firma stellte kleine Regulatoren und Nippesuhren.
Gerson Wintermantel gründete außerdem um 1885 in Triberg eine eigene Firma, die Jahresuhren herstellte. Er starb 1914, die Firma dürfte also um diese Zeit geschlossen wurden sein. Mit Sicherheit bestand sie noch 1910. Alle bisher genannten Firmen mit dem Namen Wintermantel haben nichts mit den hier gezeigten Miniatur-Uhren zu tun!

Logo der Gebr. Wintermantel KG

Der 1882 geborene Albert Wintermantel war Uhrmacher und gründete 1924 eine eigene Uhrenfabrikation in Triberg. Er fertige ebenfalls Jahresuhren, spezialisierte sich aber ab etwa 1927 auf sehr kleine 1-Tages-Werke mit Pendel und Federaufzug für Miniatur-Uhren. Um diese Firma soll es hier gehen.

Werbung von Albert Wintermantel in der Deutschen Uhrmacher-Zeitung 1927
Werbung von Albert Wintermantel in der Zeitschrift Uhrmacherkunst 1930

Während des ersten Weltkriegs war die Firma geschlossen. Albert Wintermantel starb 1949, seine Söhne Otto und Eugen Wintermantel übernahmen die Firma. Otto war Uhrmachermeister und wurde technischer Leiter, sein Bruder Eugen übernahm die kaufmännische Leitung. Den Namen der Firma änderten sie in Gebr. Wintermantel oHG.

Katalogblatt Wintermantel-Uhren um 1945 [Quelle: Jürgen Renz]

Neben den bereits erwähnten 1-Tages-Werken fertige die Firma unter dem Namen Winette Musik-Penduletten, wie folgende Anzeige von 1953 zeigt:

Werbung von Albert Wintermantel in der Deutschen Uhrmacher-Zeitung 1953

Der Markenname Winette wurde später auch für kleine Stiluhren genutzt.

Wintermantel-Uhr der Marke Winette

Ab 1954 wurden dann unter dem Markennamen Bimboy kleine Uhren mit 8-Tage-Werk mit Pendel und Viertelstundenschlag auf eine Glocke verkauft.

Ankündigung der Bimboy-Uhren mit 8 Tage-Werk und Viertelstundenschlag in der Neuen Uhrmacher-Zeitung 1954

Irgendwann in den 1970ern wurde aus der Marke Bimboy die Marke Bimbey. Diese ist auf der folgenden Anzeige von 1977 erwähnt:

Werbung von Wintermantel in der Neuen Uhrmacher-Zeitung 1977

Die Firma produzierte bis zum Tod von Otto Wintermantel im Jahr 1979 Miniatur-Uhren. Die Firma sollte dann verkauft werden, der Verkauf an den Werkleiter einer Kuckucksuhrenfabrik scheiterte aber an der Finanzierung. Die Werkzeuge der Firma gingen 1981 schließlich an eine Werkstätte für Menschen mit Behinderung der Caritas Freiburg. Dort werden die kleinen Werke und Uhren bis heute hergestellt und unter dem Namen Wintermantel verkauft. Wer sich dafür interessiert, wird hier fündig: https://shop.caritas-freiburg.de/ (im Suchfeld nach Wanduhr suchen).

Die kleinen Uhren kommen hübsch verpackt in einem handlichen Karton:

Schön zu sehen, dass die Geschichte der Wintermantel-Uhren auch nach 100 Jahren weitergeht!

Die Wintermantel-Uhrwerke

Ich zeige hier zwei Wintermantel-Uhrwerke:

  • Ein 1 Tag-Werk mit Federaufzug und Pendel
  • Ein 8 Tage-Werk mit Federaufzug, Pendel und Viertelstundenschlag

Es gibt von Wintermantel auch ein Uhrwerk für sogenannte Schaukeluhren mit einem auf- und abschwingenden Gangregler statt eines normalen Pendels. Mir ist bisher aber kein Exemplar dieses Werkes begegnet.

Wintermantel 1 Tag-Werk mit Federaufzug und Pendel

Das Zifferblatt der ganz oben gezeigten Uhr hat einen Durchmesser von nur 6 Zentimetern.

Die Rückseite der Uhr sieht so aus:

Vom Werk ist noch nichts zu sehen, dieses verbirgt sich hinter einer Abdeckkappe mit dem Aufkleber des Verkäufers, der Firma Seilnacht Uhren und Schmuck aus Freiburg. Die auch heute noch existiert!

Nach dem Entfernen der Abdeckkappe kommt das Werk zum Vorschein, das mit dem Namen Wintermantel punziert ist:

Bei etwas neueren Varianten dieser Uhren ist die hintere Abdeckung des Werkes aus durchsichtigem Kunststoff:

Die Ketten und kleinen Gewichte sind reine Deko-Elemente, das Werk besitzt ja einen Federaufzug, keinen Gewichtsaufzug!

Nach dem Abziehen der Zeiger und dem Entfernen der Schrauben auf der Zifferblattseite kann des Werk entnommen werden:

Halten wir kurz die technischen Daten des Werkes fest:

  • Durchmesser 45,5 mm
  • Innenabstand der zwei Platinen: 6,2 mm
  • Stiftankerhemmung
  • 0 Steine
  • 14.400 A/h
    Halbschwingungen des Pendels pro Stunde, also 4 pro Sekunde
  • Gangdauer 1 Tag
  • Federaufzug
    Schlüssel: 2,0 mm Innen-Vierkant, entspricht der Nr. 00 bei Taschenuhrschlüsseln
  • Stellen der Zeiger durch Drehen der Zeiger mit der Hand (in beide Richtungen möglich)

Das Werk ist durchaus intelligent konstruiert. So kann man das Federhaus zum Wechseln der Feder ausbauen, ohne das Werk zu zerlegen. Dies kann man auch dazu nutzen, das Werk zu reinigen, ohne es zu zerlegen.

Nach dem Entfernen der rückseitigen Platine kann man die Pendelstange entnehmen und hat freien Blick auf den Aufbau des Werkes:

Die Pendelstange ist fest mit dem Stiftanker verbunden. Der Kraftfluss im Werk erfolgt ganz klassisch vom Federhaus über das zentrale Minutenrad, das Kleinboden und das Sekundenrad zum Ankerrad und dann zum Stiftanker. Eine Sekundenanzeige besitzt das Werk nicht.

Die Pendellinse kann etwas nach oben bzw. unten verschoben werden, um das Werk zu regulieren. Das Pendel ist allerdings kein Original von Wintermantel. Deren Pendel hatten stets ein Gewinde zum Verstellen der Pendellinse zur Regulierung des Werkes.

Also ein nettes und einfaches Werk, das für eine solche Miniatur-Uhr ausreicht, da diese wohl kaum irgendwo dauerhaft als Zeitanzeige zum Einsatz kommt.

Das folgende Video zeigt die kleine Uhr in Aktion:

Wintermantel 8 Tage-Werk mit Federaufzug, Pendel und Viertelstundenschlag

Diese kleine Uhr mit der Aufschrift BIMBEY hat eine Abmessungen von gerade einmal 8,8 x 12,0 cm, inkl. Glocke:

Technischen Daten des Werkes:

  • Durchmesser 45,5 mm
  • Innenabstand zwei Platinen: 6 mm + 18 mm für das Federhaus
  • Stiftankerhemmung
  • 0 Steine
  • 10.800 A/h
    Halbschwingungen des Pendels pro Stunde, also 3 pro Sekunde
  • Gangdauer 8 Tage
  • Viertelstundenschlag auf Glocke
    Nicht abstellbar!
    Das 8 Tage-Werk gibt es auch ohne Viertelstundenschlag.
  • Federaufzug
    Schlüssel: 2,4 mm Innen-Vierkant
  • Stellen der Zeiger durch Drehen der Zeiger mit der Hand (in beide Richtungen möglich)

Naturgemäß benötigt das Werk aufgrund der längeren Gangdauer ein deutlich größeres Federhaus als das 1 Tag-Werk. Der Viertelstundenschlag schlägt jede Viertelstunden einmal auf die Glocke, die Anzahl der Schläge variiert also nicht und auch die Anzahl der Stunden wird nicht geschlagen!

Schauen wir uns das Werk an:

 

Auffällig sind die zwei extra Brücken, eine für das große Federhaus und eine für den Hammer der Glocke. Die Pendelstange ist hier gebogen, um einen Weg um das Federhaus zu finden.

Die Pendelstange ist deutlich länger als beim 1 Tag-Werk und besitzt ein Gewinde zum Verstellen der Pendellinse zur Regulierung des Werkes.

So sieht das Werk von der Seite aus:

Im Vergleich zum 1 Tag-Werk treibt das Federhaus hier nicht das zentrale Minutenrad an, sondern das große im Bild sichtbare Beisatzrad. Dieses sorgt für die richtige Übersetzung für die 8 Tage Gangdauer und sorgt dafür, dass dieses Werk etwas langsamer schwingt als das 1 Tag-Werk. Das Beisatzrad treibt dann das Minutenrad an.

Schauen wir uns noch an, wie der Glockenschlag funktioniert:

Auf dem Minutenrad in der Mitte des Werkes befinden sich vier Metallstifte, sogenannte Hebnägel, also für jede Viertelstunde einer. Auf dem folgenden Bild sind zwei davon rot markiert:

Die seitliche Verlängerung des Hammers der Glocke greift an dieser Stelle ein.

Diese gleitet jeweils eine Viertelstunde an einem der Stifte entlang und spannt so die Feder des Hammers. Nach Ablauf der Viertelstunde fällt er aus dem Eingriff des Stiftes und der Hammer fällt gegen die Glocke.

Ein Gedanke zu „Wintermantel: Miniatur-Uhren aus dem Schwarzwald“

  1. Vielen Dank für diese Info. Ich freue mich auf weitere Veröffentlichungen.
    Herzliche Grüße aus dem hessischen Ried.

    Hans -Joachim Lausch

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert