Das Miyota 9015 – Ein Blick ins Innere

Seitdem die Swatch-Group die Lieferung von Werken ihres Herstellers ETA an Fremdhersteller immer weiter eingeschränkt hat, mussten sich viele Uhrenhersteller nach alternativen Quellen für Uhrwerke umsehen.

miyota_9015_12Für Uhrenhersteller, die im sensiblen Preissegment bis ca. 1.000 Euro agieren, ist die Eigenentwicklung eines günstigen Werkes kaum möglich. Die japanische Firma Miyota hat seit 2009 eine echte Alternative zum Schweizer ETA 2824-2 im Angebot, das Miyota 9015.

Bevor wir uns mit dem Innenleben des Werkes beschäftigen, zunächst die technischen Daten:

  • Anzeige von Stunden, Minute, Zentralsekunde mit Sekundenstopp, Datum mit Schnellschaltung
  • Automatik, einseitig aufziehend, Handaufzug möglich
  • Durchmesser 11 1/2“‘ (Linien) = 26 mm, Höhe 3,9 mm
  • 28.800 Halbschwingungen/Stunde (A/h)
  • Gangreserve mindestens 42 Stunden
  • Ankerhemmung
  • 24 Jewels
  • Glucydur-Unruh
  • Stoßsicherung: Citizen Parashock
  • Hebewinkel 51°

Dann schauen wir uns das Werk mal näher an. Wir fangen mit der Zifferblattseite an. Unter der Halteplatte der Datumscheibe kommen viele Kleinteile zum Vorschein:

miyota_9015_5Ein erstes Aha-Erlebnis: keine kleinen, flugfähige Federn, die beim Abheben der Halteplatte gerne mal auf Nimmerwiedersehen verschwinden.

Ich habe dann mal alle Teile der Datumschaltung entnommen und neben das Werk gelegt. Die wichtigsten sind das 24h-Rad (24H) und der Datumkorrektor (DK). Das 24h-Rad sorgt dafür, dass die Datumscheibe alle 24 Stunden um einen Tag weitergeschaltet wird. Der Mechanismus auf dem 24h-Rad sorgt dafür, dass die Weiterschaltung fast schlagartig um Mitternacht erfolgt, und nicht schleichend. „Fast“ bedeutet, dass die Datumscheibe sich ab etwa 22:30 Uhr minimal (ca. 15 – 20 %) weiterbewegt, um dann um Mitternacht schlagartig umzuschalten. Und der Datumkorrektor dient dazu, das Datum von Hand einzustellen. Dazu muss die Krone in die mittlere Position gezogen werden.

miyota_9015_6aDas Zeigerstellrad (roter Kreis im nächsten Bild) ist beweglich gelagert und dient in Abhängigkeit der Kronenposition dazu, entweder die Zeiger zu stellen (Krone ganz gezogen) oder über ein Zwischenrad den Datumkorrektor zu drehen (mittlere Position der Krone).

miyota_9015_7aDas Minutenrohr mit Mitnehmerrad (M), das Wechselrad (W) und das Stundenrad (H) bilden zusammen das Zeigerwerk. Wie beim ETA 2824-2 wird das Minutenrohr nicht direkt von einem Minutenrad angetrieben, sondern indirekt vom Kleinbodenrad.

Der Blick unter die Winkelhebelfeder offenbart eine weitere Besondernheit des Miyota 9015: Der Kupplungstriebhebel ist gleichzeitig auch Kupplungshebelfeder (rot markiert). Eine schöne Lösung und eine springfähige Feder weniger!

miyota_9015_8aWenden wir uns nun der anderen Werkseite zu. Der Rotor ist kugelgelagert und mit drei Schrauben befestigt:

miyota_9015_3aDarunter kommt eine verzierte Dreiviertelplatine zum Vorschein. Das Gesperr ist verdeckt, befindet sich also auf der Unterseite der Dreiviertelplatine. Oberhalb der Platine ist ein Rad (goldfarben) zu sehen, das direkt vom Zahnradkranz des Rotors angetrieben wird:

miyota_9015_4aEs gehört also zur Automatik, die wir uns gleich im Detail ansehen werden. Um einen Blick unter die Dreiviertelplatine zu werden, muss dieses Rad entfernt werden. Es wird von einer kleinen Halteklammer fixiert:

miyota_9015_9aDie Unruh habe ich bei dieser Gelegenheit auch gleich entfernt. Nun wird es Zeit, die Feder abzuspannen. Das geht hier sehr bequem durch das längliche Loch bei ca. 6 Uhr im Bild oben.

Nach dem Abnehmen der Dreiviertelplatine sieht es darunter so aus:

miyota_9015_10Das Sperrrad liegt direkt auf dem Federhaus, im Zentrum befindet sich das direkt angetriebene Rad für die Zentralsekunde. Auf der Unterseite der abgenommenen Platine befinden sich ebenfalls einige Räder.

Nach der Entnahme des Sperrrades (S), des Rades für die Zentralsekunde (ZS), des Ankerrades (A) und des Kleinbodenrades (K) bleiben auf der Werkplatine noch ein paar Räder übrig:

miyota_9015_11aDie drei unten liegenden Räder gehören zum Automatikaufzug. Im Gegensatz zum ETA 2824-2 ist hier also die Automatik nicht als extra abnehmbares Modul konstruiert, sondern direkt in die Hauptplatine integriert.

Ich habe alle zur Automatik gehörenden Räder mal auf der Rückseite der Dreiviertelplatine platziert. Das Rad rechts unten ist das, das wir oben auf der Vorderseite der Dreiviertelplatine gesehen haben. Es ragt hier von unten durch die Platine. Von diesem Rad folgende wir der roten Linie bis zum Sperrrad (S), über das die Feder durch die Automatik aufgezogen wird. Zwischen dem Zahnradkranz des Rotors auf der Rückseite des Rotors und dem Sperrrad liegen als nicht weniger als fünf sogenannte Reduktionsräder. Sie dienen dazu, die schnelle Bewegung des Rotors in eine langsame Aufzugsbewegung des Sperrrades zu übersetzen.

miyota_9015_12aDas K im Bild oben kennzeichnet das Kronrad (nicht verwechseln mit dem Kleinbodenrad im Bild darüber!), das beim Aufzug des Werkes von Hand über ein Zwischenrad ebenfalls das Sperrrad dreht und so die Feder aufzieht. Rechts im Bild sieht man dann noch das halb vom Federhaus verdeckte, dezentrale, indirekte Minutenrad.

Eines der Reduktionsräder der Automatik ist noch einen näheren Blick wert, nämlich das zweite von rechts auf der oben rot markierten Linie. Es sieht im Bild etwas dunkler aus als die anderen:

miyota_9015_12bDieses Reduktionsrad ist ein Satellitenrad-Wechsler, der dafür sorgt, dass in die eine Drehrichtung des Rotors die Feder aufgezogen wird und in die andere Richtung ein Leerlauf erfolgt. Beim Miyota 9015 ist die Automatik ja einseitig aufziehend. Das ETA 2824-2 dagegen zieht über zwei Klinkenräder beidseitig auf. Allerdings sind diese Klinkenräder recht anfällige Bauteile.

Leider kann man diesen Satellitenrad-Wechsler des Miyota nicht zerstörungsfrei öffnen, um sein Innenleben zu zeigen. Es sollte aber etwa so aussehen, wie bei diesem Teil aus einem Citizen 6000:

Zum Schluss dieses Ausfluges in das Innenleben eines Miyota 9015 schauen wir uns noch den Sekundenstopp an:

miyota_9015_13aWird die Krone ganz gezogen, drückt der im Bild rot markierte Hebel auf den Unruhreif, die Uhr bleibt also während des Zeigerstellens stehen.

 

17 Gedanken zu „Das Miyota 9015 – Ein Blick ins Innere“

  1. Hallo, wo kann ich eine Revision für mein (Replica mit) Miyota 9015 Werk durchführen lassen. Gibt es besonders empfehlenswerte Werkstätten? Kann ich mir nur schwer vorstellen, dass mein Uhrmacher im Städtchen das zufriedenstellend durchführt.
    Beste Dank für eure Hilfe

    1. Ein Miyota sollte eigentlich jeder Uhmacher revidieren können, der nicht nur Batterien wechselt. Eine andere Frage ist, ob eine Replica annimmt…

  2. Habe mir meine erste Junkersuhr mit diesem Automatik Werk gekauft. Hatte erst diesen tollen Bericht der auch für Laien gut verständlich ist gelesen und bin mir sicher alles richtig gemacht zuhaben.

  3. Habe mir soeben eine IRON ANNIE gekauft, mit Miyota 9015. Nachdem ich den Bericht gelesen habe,
    komme ich zu der Meinung nichts verkehrt gemacht zu haben.

    PS: Danke für die Dokomentation.

    1. Hallo,

      Miyota gibt in den technischen Unterlagen einen Gang zwischen -10 und +30 Sekunden pro Tag und eine maximale Lagendifferenz von 40 Sekunden pro Tag an. Das ist schon ziemlich großzügig. Zum Vergleich: ETA gibt für das 2824-2 einen Gang zwischen 0 und 24 Sekunden pro Tag und eine maximale Lagendifferenz von 30 Sekunden pro Tag an. Die 9015, die ich bisher in den Praxis gesehen habe, liefen alle mit wesentlich besseren Werten, sodass das Werk m. E. dem 2824-2 in nichts nachsteht.

    2. Hallo,

      ich habe mir gerade vor ein paar Wochen eine STERNGLAS-Uhr mit dem Miyota 9015 gekauft. In einer Woche ging die Uhr 20 sek zu früh.

      Angegeben ist das Werk mit einer Gangungenauigkeit von -10/+30 sec täglich. Die Realität ist zumindest bei meiner Uhr eine ganze Dekade besser.

      Ich bin begeistert von dem Werk.

      Schöne Grüße

      1. Dann hattest Du Glück mit Deiner Uhr.
        Habe seit einer Woche eine Asthet mit diesem Werk und diese geht 22Sekunden / Tag vor. Ja, ist noch im Rahmen der Spezifikation, trotzdem für meinen Geschmack zu viel. Werde sie wohl zurückschicken.

        1. Wenn das Werk konstant 22 Sekunden pro Tag vorgeht, läuft es ja sehr präzise. Es muss nur ein wenig reguliert werden. Das sollte jeder Uhrmacher locker schaffen.

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