Das Werk mit einem Durchmesser von 18 3/4“‘ (französische Linien) und einer Höhe von 6 mm hat eine einfache Zylinderhemmung mit Schlüsselaufzug und 8 Steine. Das Gesperr findet sich auf der Zifferblattseite des Werkes.
Der einzige Hinweis auf die Herkunft des Werkes ist die Punze LA PIVE (französisch: der Tannenzapfen) auf der Federhausbrücke. Eine Recherche im Schweizerischen Handelsamtsblatt ergab, dass LA PIVE in der abgebildeten Form 1913 als Marke von La Pive Watch Co, G. Krentel & Cie aus Saignelégier im Kanton Jura in der Schweiz registriert wurde:
Erst wenige Tage zuvor hatte sich die Firma einen neuen Namen gegeben:
Aus G. Krentel & Cie wurde La Pive Watch Co, G. Krentel & Cie.
Gustave Krentel wurde 1888 zum Direktor der 1886 gegründeten Fabrique de montres de Saignelégier ernannt. 1889 gründete er die Firma G. Krentel. Ob diese aus der Fabrique de montres de Saignelégier hervorging, konnte ich leider nicht in Erfahrung bringen. Zwei Jahre später, 1891, löste Gustave Krentel diese Firma auf, um mit seinem Bruder Albert Krentel die Uhrenfirma Krentel frères in Saignelégier zu gründen. 1897 lösten die Brüder die Firma wieder auf und es entstand die bereits oben erwähnte G. Krentel & Cie, bei der Albert Krentel nur noch stiller Teilhaber war.
Gustave Krentel wird auch häufig unter dem Namen Gustave Krentel-Billon erwähnt. Billon war vermutlich der Mädchenname seiner Frau (siehe weiter unten). 1918 wurde die La Pive Watch Co, G. Krentel & Cie schließlich aufgelöst und am 26.01.1925 verstarb Gustave Krentel in Cormondrèche in der Schweiz.
1904 registrierte G. Krentel ein Modell eines Uhrwerkes, das genauso aussieht, wie das oben gezeigte Werk:
Bereits 1899 hatte er ein Modell eines Werkes registrieren lassen:
Schauen wir uns nun die Uhr selbst etwas genauer an. Ein Blick auf die Innenseite des Gehäusedeckels zeigt eine ganze Reihe von Punzen:
Am oberen Rand findet sich ein C sowie die Marke LA PIVE. Wofür das C steht, weiß ich leider nicht. Die Marke LA PIVE deutet darauf hin, dass nicht nur das Werk, sondern die ganze Uhr von der Firma gefertigt wurde.
In der Mitte dann die englische Punze für 925er-Sterling-Silber und daneben die Import Hallmark des London Assay Office („London Zodiac sign of Leo“; ab 1907). Das S darunter ist der London Date Letter für 1913/14.
Am unteren Rand des Deckels findet sich schließlich noch ein CL, die British Sponsor’s mark für Landenberger & Co (Christian Landenberger) aus London. Landenberg war also der Importeur dieser Uhr, der diese 1913/14 in London zur Prüfung vorgelegt hat.
Unter dem CL befindet sich noch die Nummer 33212, bei der es sich um eine Produktions- oder Seriennummer der Uhr handeln dürfte. Dieselbe Nummer ist auch auf dem Uhrwerk zu finden ist.
Zusammen mit der Registrierung der Marke La Pive im Jahr 1913 kann also der Herstellungszeitraum dieser Uhr auf 1913/14 eingegrenzt werden, auch wenn das Werk schon etwa zehn Jahre früher entwickelt wurde.
Ich konnte auch noch ein zweites Werk von La Pive finden:
Es hat ebenfals einen Durchmesser von 18 3/4“‘, eine Höhe von 6 mm, eine Zylinderhemmung mit Schlüsselaufzug und nur 6 Steine. Das Gesperr findet sich bei diesem Werk nicht auf der Zifferblattseite, sondern unter der Abdeckung des Schlüsselaufzuges:
Ich vermute, dass das zweite Werk etwas älter ist als das erste, zumal die einzige Punze im Gehäuse eine Marke von Krentel zeigt, die bereits 1893 registriert wurde:
K. F. S. steht für Krentel Frères Saignelégier.
Nachdem wir die Historie der Firma Krentel in der Schweiz beleuchtet und gesehen haben, dass deren Uhren auch nach England exportiert wurden, machen wir noch einen kleinen Abstecher nach Südamerika, genauer nach Brasilien!
Eher zufällig bin ich über eine Verbindung zwischen La Pive Watch Co. und der Casa Henrique Krentel in Pelotas im Süden Brasiliens gestolpert:
Die Anzeige stammt aus dem Almanach de Pelotas von 1914. Hier eine ähnliche von 1916:
Die Casa Krentel verkaufte Uhren, Schmuck, Brillen, Instrumente, Dentalprodukte und auch Parfümerieartikel. Eröffnet wurde sie bereits 1850 und bestand bis Mitte des 20. Jahrhunderts.
Wie folgende Todesanzeige von Alice Krentel aus der Tageszeitung L’Impartial von 1888 zeigt, war die Familie Krentel-Billon recht groß:
Alice Krentel starb im Alter von nur 21 Jahren und war anscheinend die Ehefrau von Gustav Krentel. In der Todesanzeige sind auch Herr und Frau Henri Krentel aus Pelotas in Brasilien aufgeführt. Aus dem französischen Henri wurde in Brasilien vermutlich der Henrique. Henri Krentel könnte also der Vater oder der Onkel von Gustave Krentel gewesen sein.
Sollte einer meiner Leser weitere Informationen zu La Pive oder zur Familie von G. Krentel haben, würde ich mich sehr über eine Nachricht freuen!
Sehr feine Recherche, ich bin begeistert!