Hier ein erstes Exemplar eines unbekannten Herstellers:
Die Uhr hat einen Gesamtdurchmesser von 28,6 mm und eine Höhe von 12,2 mm. Der sichtbare Teil des Zifferblattes misst dagegen nur 14,6 mm, also weniger als ein 1 Eurocent-Geldstück, das 16,3 mm hat.
Die Glitzersteinchen um das Zifferblatt sind leider keine Diamanten, sondern aus Glas. Zeitlich würde ich die Uhr etwa zwischen 1900 und 1915 einordnen.
Die Krone sowie der Drücker zum Zeigerstellen sind außergewöhnlich lang und dienen dazu, die Uhr auch dann bequem stellen zu können, wenn dieser Teil der Uhr verdeckt getragen wird.
Das Uhrwerk ist ein einfaches Zylinderwerk mit einem Durchmesser von 11 1/2 Linien (26 mm) und 5 Steinen (der „Deckstein“ der Unruh auf der Zifferblattseite ist aus Metall). Bisher konnte ich das Werk leider nicht identifizieren.
Eine kleine Besonderheit weist dieses Werk aber auf: das von der Aufzugswelle gedrehte Kronrad sowie das Sperrrad (silberfarben im Bild links) befindet sich meist auf derselben Seite der Werkbrücke, also entweder oberhalb oder verdeckt auf der Unterseite. Hier befindet sich das Kronrad auf der Zifferblattseite, das Sperrrad dagegen auf der Brückenseite.
Es gibt übrigens auch eine andere Variante, die gelegentlich Knopflochuhr genannt wird. Dabei handelt es sich um Taschen- oder Frackuhren, deren Uhrenkette am Knopfloch des Revers befestigt wird. Die Uhr selbst wird dabei in der Brusttasche getragen. Mit dieser Variante werden wir uns hier nicht weiter beschäftigen.
Den ältesten Hinweis auf eine Knopflochuhr, den ich finden konnte, ist das Schweizer Patent CH9802 von 1895, ausgestellt auf Paul Schallenberg aus La Chaux-de-Fonds. Es trägt den Titel Nouvelle montre-bijou (neuartige Schmuckuhr).
Aus demselben Jahr wie das Patent stammt diese Anzeige von Schallenberg für eine Schmuckuhr namens Colibri in der Fédération Horlogère:
Hier werden als Anbringungsort die Krawatte, das Knopfloch und die Bluse genannt. Wie das bei einer Krawatte funktionieren soll, ist mir leider nicht klar, aber vielleicht gab es damals Krawatten mit Knopflöchern?
Noch vor der Wende zum 20. Jahrhundert gab es weitere Schweizer Patente zum Thema Knopflochuhren, z. B. von Paul Kirsch aus La Chaux-de-Fonds für einen verbesserten Aufzugsmechanismus für Knopfuhren (CH12323 von 1896) sowie für Emile Picard aus Besançon in Frankreich für eine Knopflochuhr mit Sicherheitsvorrichtung (CH12812 von 1896):
Von 1903 stammt diese Registrierung von Modellen von Tröhler & Giger für Gehäuse von Knopflochuhren im Schweizerischen Handelsamtsblatt:
Und eine Anzeige der britischen Firma J. C. Vickery von 1910 für Buttonhole Watches, in der verschiedene Ausführungen angeboten werden, angefangen beim einfachen Metallgehäuse bis hin zum Goldgehäuse mit Diamantbesatz. Hier werden sowohl Damen als auch Herren als Träger von Knopflochuhren angesprochen.
Kommen wir zum zweiten Exemplar einer Knopflochuhr aus meiner Sammlung. Sie trägt die Marke Rocar, hat einen Gesamtdurchmesser von 25,6 mm und eine Höhe von 14,7 mm. Der sichtbare Teil des Zifferblattes hat allerdings nur winzige 11,6 mm! Rocar war eine Marke der Rodania Watch Co. aus der Schweiz. Ich vermute, dass diese Uhr aus der Zeit um 1945 – 1950 stammt.
In dieser Uhr steckt ebenfalls ein sehr einfaches Werk, nämlich ein Stiftankerwerk Ebosa 119 mit einem Durchmesser von 10 1/2 Linien (ca. 23,7 mm) und 4 Steinen.
Der Abstand zwischen dem sichtbar und verdeckt getragenen Teil der Uhr ist bei dieser Knopflochuhr sehr groß. Daher hat das Werk ein besonders langes Minuten- und Stundenrohr.
Bei der oben zuerst gezeigten Knopflochuhr liegt das Zifferblatt dagegen plan auf dem Werk auf, sodass keine besonderen technischen Kniffe notwendig waren:
Wie wurden Knopflochuhren nun eigentlich getragen? Oben war bereits von Krawatten, Knopflöchern und Blusen die Rede. Mit dem französischen Wort Boutonnière für Knopfloch dürfte das Knopfloch des Revers, also der nach außen geschlagenen oberen Vorderkante eines Sakkos, Mantels oder ähnlichen Kleidungsstücks gemeint sein.
Leider konnte ich keine zeitgenössischen Fotos von Trägern von Knopflochuhren finden, es gibt aber einige Hinweise in Patenten und Anzeigen. Im französischen Patent FR735492 von 1932 wird das Revers als Anbringungsort gezeigt:
Im ebenfalls französischen Patent FR832607 von 1938 dagegen die Umschlagmanschette eines Hemdes, bei der die Knopflochuhr den Manschettenknopf ersetzt:
Die zwei oben gezeigten Knopflochuhren sind allerdings nicht als Manschettenknöpfe geeignet, da der untere Teil mit dem Uhrwerk recht groß ist und sich nach dem Einfädeln auf der Außenseite der Manschette befinden würde. Knopflochuhren für Manschetten sollten also auf der einen Seite ein sehr kleines Werk inklusive Zifferblatt haben und auf der anderen Seite einen Knopf oder umklappbaren Steg. So wie bei diesem Set:
Die amerikanische Zeitschrift Popular Mechanics zeigt in der Ausgabe vom April 1913 eine Knopflochuhr am Revers:
Ebenso die amerikanische Zeitschrift Popular Science Monthly im August 1917:
Noch 1953 meldete der Deutsche Hans Gabel eine Knopfuhr als Gebrauchsmuster an und verweist ausdrücklich auf das Revers als vorteilhaften Anbringungsort:
Die Ablesbarkeit der Uhrzeit stand bei diesen Uhren wohl kaum im Vordergrund, waren es doch primär Schmuckuhren, die anderen auffallen sollten! Die oben dargestellte Anzeige aus dem Popular Science Monthly weist immerhin darauf hin, dass die Uhr kopfüber am Revers angebracht werden kann (also 6 Uhr statt 12 Uhr oben), sodass der Träger die Uhrzeit durch einen Blick nach unten zum Revers sofort erfassen kann.
Falls einer meiner Leser weitere Informationen zum Thema Knopflochuhren oder gar ein zeitgenössisches Bild eines Trägers haben sollte, würde ich mich sehr über eine Mitteilung freuen!
Guten Abend,
Danke sehr!
Ich hatte gedacht dass Paul Kirsch der Erfinder was. Er hat ebenfalls Patent CH11169 eingetragen am 20.09.1895
Hier findest ebenfalls eine Werbung von September 1895 aus Fédération Horlogère Suisse (https://mb.nawcc.org/threads/little-lady-button.181490/#post-1481099)
Ciao
Sehr interessanter Artikel!
Wir haben in unserer Familie eine Knopflochuhr des Herstellers Carl Rammensee aus Zürich. Leider finden wir keine Angaben über das Herstellungsdatum (Arabische Zahlen, aus Messing) Haben Sie evt. Infos?
Mit freundlichen Grüßen
Birgit Wack
Hallo Birgit,
gesicherte Infos habe ich dazu keine. Möglicherweise gehörte Carl Rammensee aus Zürich zur Uhrmacherdynastie Rammensee, die neben Turmuhren auch ein Kleinuhrengeschäft hatte. Hier gibt es ein paar Infos dazu: https://watch-wiki.org/index.php?title=Turmuhrenmuseum_-_Gr%C3%A4fenberg