Bevor wir uns mit den Uhrwerken beschäftigen, machen wir zunächst einen kleinen Ausflug in die Geschichte von Ricoh: sie beginnt 1936 mit der Gründung der Riken Kankoshi Co. Ltd. Bereits 1938 wurde daraus die Riken Optical Co. Ltd., die optische Geräte herstellte, unter anderem Kameras. 1963 entstand daraus dann die Ricoh Co. Ltd., die bis heute als multinationaler Konzern aktiv ist.
Die Ursprünge der Uhrensparte von Ricoh stammen aber von einer anderen japanischen Firma, der Takano Seimitsu Kogyo Co., die 1938 gegründet wurde.
Über Takano und deren Uhrwerke habe ich hier schon ausführlich berichtet: Takano, der Phantom-Uhrenhersteller aus Japan
Am 8. Mai 1962 trat der Präsident der Riken Optical Co. Ltd. sein Amt als Präsident von Takano an. Im August 1962 wurde schließlich aus der Takano Seimitsu Kogyo Co. die Ricoh Tokei Co. Ltd., die, 1986 nochmals in Ricoh Elemex Corporation, umbenannt, bis heute existiert.
Hier soll es aber um die Automatic-Werke von Ricoh gehen. Vor kurzer Zeit war ich noch der Meinung, dass es davon nur zwei Varianten gibt, das Ricoh 61 für Herrenuhren und das 251 für Damenuhren.
Die Realität ist allerdings wesentlich komplexer. Es gab nämlich nicht nur verschiedene Bauformen dieser zwei Werke, die auch unterschiedliche Kaliberbezeichnungen aufweisen, sondern auch noch ganz andere Werkfamilien.
Die entscheidenden Hinweise auf die Ricoh-Werkfamilien und deren Varianten lieferte das 2019 erschienene Buch 森年樹: 国産腕時計タカノ・リコー (Domestic Watches: Takano・Ricoh), Verlag: トンボ出版 (Dragonfly Publishing), Jahr: 2019, ISBN 9784887161191. Leider gibt es das Buch bisher nur auf Japanisch!
Wir konzentrieren uns hier auf die Automatic-Werke von Ricoh, lassen also die Werke mit Handaufzug außen vor. Folgende Automatic-Werkfamilien von Ricoh konnte ich identifizieren:
Die Ricoh-Serie 54
Die ersten Automatic-Werke von Ricoh nutzen als Basis das Takano-Kaliber 544, das 1962 um ein Automatikmodul ergänzt wurde. Die Familie umfasst drei Varianten, die folgende Gemeinsamkeiten haben:
- Durchmesser: 12 3/4´´´ (französische Linien, 1 Linie = 2,26 mm)
- Unruhfrequenz: 18.000 A/h (Halbschwingungen pro Stunde)
- Stunde, Minute, Zentralsekunde
- Rotor mit Kugellager
Kaliber | Jahr | Steine | Datum | Tag | Stoß- sicherung |
Anmerkungen |
54610 | 1963 | 33 | – | – | KIF 210 Trior | Rotor-Kugellager mit Metallkugeln |
54710 | 1962 | 33 | X | – | KIF 210 Trior | Rotor-Kugellager mit Metallkugeln |
54722 | 1962 | 45 | X | – | KIF Flector | Rotor-Kugellager mit Rubinkugeln |
Hier ein 54710 in einer Ricoh Dynamic Auto:
Diese Werke sind meines Wissens nicht mit der Kalibernummer beschriftet, sie lassen sich aber von anderen Ricoh-Werken leicht anhand der Form des Unruhklobens, der Lage der Unruh in Relation zur Aufzugswelle, der Funktion (Tag ja/nein) und der Anzahl der Steine (33/45) unterscheiden.
Die Ricoh-Serie 1200
Diese Werkfamilie scheint keine Takano-Basis zu haben, ist also wohl erst unter der Ägide von Ricoh entstanden. Die Familie umfasst ebenfalls drei Varianten, die folgende Gemeinsamkeiten aufweisen:
- Durchmesser: 11 1/2´´´ (französische Linien)
- Unruhfrequenz: 18.000 A/h (Halbschwingungen pro Stunde)
- Stunde, Minute, Zentralsekunde
- Rotor ohne Kugellager
Kaliber | Jahr | Steine | Datum | Tag | Stoß- sicherung |
1216 | 1963 | 21 | – | – | KIF 210 Trior |
1217 | 1963 | 21 | X | – | KIF 210 Trior |
1218 | 1964 | 21 | X | X | KIF 210 Trior, Monorex |
Hier ein 1218 in einer Ricoh Auto Deluxe:
Diese Werke sind leicht an der Unruhbrücke (zwei Befestigungspunkte) statt eines Unruhklobens (ein Befestigungspunkt) zu erkennen. Zusammen mit den Funktionen (Datum/Tag) lassen sich die Kaliber unterscheiden, da auch diese Werke nicht mit der Kalibernummer markiert sind.
Die Ricoh-Serie 2000
Wiederum eine neue Werkfamilie, von der es (eigentlich) nur zwei Ausführungen gibt, die folgende Gemeinsamkeiten haben:
- Durchmesser: 12 3/4´´´ (französische Linien)
- Unruhfrequenz: 18.000 A/h (Halbschwingungen pro Stunde)
- Stunde, Minute, Zentralsekunde
- Rotor ohne Kugellager, aber mit Rubinlager
Ein Leser dieses Artikel hat mir allerdings Bilder eines Ricoh-Werkes geschickt. das eindeutig zur 2000er-Familie gehört und eine Datumanzeige sowie eine 24 Stundenanzeige besitzt! Die Kaliberbezeichnung ist leider nicht bekannt.
Kaliber | Jahr | Steine | Datum | Tag | 24h | Stoß- sicherung |
2337 | 1964 | 33 | X | – | – | KIF 210 Trior |
2338 | 1964 | 33 | X | X | – | KIF 210 Trior |
? | ? | 33 | X | – | X | KIF 210 Trior |
Diese Werke wurden in Uhren mit der Bezeichnung Ricoh Punch und Ricoh Auto Just verbaut. Sie scheinen allerdings recht selten zu sein.
Anhand der abgerundeten Form des Unruhklobens und der Funktion (Datum/Tag) sind diese Werke sehr einfach zu identifizieren.
Die Ricoh-Serie 30
DIE Automatic-Familie von Ricoh schlechthin, da Werke aus dieser Familie am häufigsten in Ricoh-Uhren zu finden sind. Leider hat diese Familie sehr viele Mitglieder, die optisch kaum voneinander zu unterscheiden sind.
Aber schauen wir uns zunächst die Gemeinsamkeiten der Werke an:
- Durchmesser: 12 3/4´´´ (französische Linien)
- Unruhfrequenz: 18.000 A/h (Halbschwingungen pro Stunde)
- Stunde, Minute, Zentralsekunde
- Rotor mit Kugellager
Kaliber | Jahr | Steine | Datum | Datum- Schnell- schaltung |
Tag | Tag- Schnell- schaltung |
Stoß- sicherung |
Anmerkungen |
30 | 1966 | 21, 25 |
X | Ziehen der Krone | Ring außen oder innen | – | Monorex | Rotor massiv ohne Schlitz, Kugellager mit Metallkugeln |
31 | 1966 | 21, 25, 28, 30 | X | Ziehen der Krone | Ring außen oder innen | – | Monorex | Rotor massiv ohne Schlitz, Kugellager mit Metallkugeln |
32 |
1966 | 21 |
X |
Wiederholtes Wechseln 21 – 24h? | Ring innen, aber Tag ausgeschrieben | – |
Monorex | Rotor massiv ohne Schlitz, Kugellager mit Metallkugeln |
33 |
1967 |
35 |
X |
Drücker |
Ring außen | X |
Monorex |
Rotor mit Schlitz und Schwermetallrand, Kugellager mit Rubinkugeln |
34 | 1966 |
30 |
X |
Drücker |
Ring außen | – |
Monorex | Rotor massiv ohne Schlitz, Kugellager mit Rubinkugeln |
36 |
? |
17 | X |
Ziehen der Krone | Ring außen | – |
Monorex | Rotor massiv ohne Schlitz, Kugellager mit Metallkugeln |
38 |
? |
17 |
X |
Ziehen der Krone | Ring außen | – |
Monorex | Rotor massiv ohne Schlitz, Kugellager mit Metallkugeln |
39 | 1966 |
21, 30 |
X |
Ziehen der Krone | Ring innen, aber Tag ausgeschrieben | – |
Monorex | Rotor massiv ohne Schlitz, Kugellager mit Metallkugeln |
40 |
1970? |
21 |
X |
Ziehen der Krone | Ring außen | – |
Monorex New | Rotor mit Schlitz und Schwermetallrand, Kugellager mit Metallkugeln |
41 |
1970? |
21 |
X |
Ziehen der Krone | Ring innen | – |
Monorex New | Rotor mit Schlitz und Schwermetallrand, Kugellager mit Metallkugeln |
42 |
1968 | 26 |
X | Drücker | Ring außen | X |
Monorex | Rotor mit Schlitz und Schwermetallrand, Kugellager mit Rubin- bzw. Metallkugeln |
44 |
1966 |
21 |
X |
? | – |
– |
Monorex | Rotor massiv ohne Schlitz, Kugellager mit Metallkugeln |
48 |
? |
21 |
X |
Wiederholtes Wechseln 21 – 24h |
– |
– |
Monorex | Rotor massiv ohne Schlitz, Kugellager mit Metallkugeln |
49 |
1968 |
30 |
X |
Ziehen der Krone | Ring außen oder innen | – |
Monorex | Rotor massiv ohne Schlitz, Kugellager mit Metallkugeln |
50 |
? |
30 |
X |
Ziehen der Krone | X | – |
Monorex | Rotor massiv ohne Schlitz, Kugellager mit Metallkugeln |
61 | 1970 |
21 |
X |
Drücker | Ring außen oder innen | – |
Monorex New |
Rotor mit Schlitz und Schwermetallrand, Kugellager mit Metallkugeln |
63 |
? |
25 |
X |
Ziehen der Krone | X | – |
Monorex | Rotor massiv ohne Schlitz, Kugellager mit Metallkugeln |
65 |
? |
25 |
X |
Ziehen der Krone | X | – |
Monorex | Rotor massiv ohne Schlitz, Kugellager mit Metallkugeln |
66 |
? |
28 |
X |
Ziehen der Krone | Ring innen | – |
Monorex | Rotor massiv ohne Schlitz, Kugellager mit Metallkugeln |
67 |
1970? |
30 |
X |
Drücker |
Ring innen | – |
Monorex | Rotor mit Schlitz und Schwermetallrand, Kugellager mit Rubinkugeln |
68 |
1970 |
35 |
X |
Drücker |
X |
X |
Monorex | Rotor mit Schlitz und Schwermetallrand, Kugellager mit Rubinkugeln |
71 |
? |
30 |
X |
Ziehen der Krone | Ring innen | – |
Monorex | Rotor massiv ohne Schlitz, Kugellager mit Metallkugeln |
72 |
1969 |
28 |
X |
Ziehen der Krone | X |
– |
Monorex | Rotor massiv ohne Schlitz, Kugellager mit Metallkugeln |
74 | 1969 |
26 |
X |
Drücker | X |
X |
Monorex | Rotor mit Schlitz und Schwermetallrand, Kugellager mit Metallkugeln |
75 | ? |
21 |
X |
Drücker | Ring innen | – |
Monorex New |
Rotor mit Schlitz und Schwermetallrand, Kugellager mit Metallkugeln, Datum/Tag immer bei 6H statt 3H? |
84 | 1969 |
21 |
X |
Ziehen der Krone | X |
– |
Monorex | Rotor mit Schlitz und Schwermetallrand, Kugellager mit Metallkugeln |
86 | 1970+? | 30 | X | Ziehen der Krone | Ring innen | – | Monorex New | Rotor mit Schlitz und Schwermetallrand, Kugellager mit Metallkugeln |
Anfänglich waren alle Werke der 30er-Serie mit einer Monorex-Stoßsicherung ausgestattet, gegen 1970 wurde diese durch die neuere Monorex New ersetzt.
Hier sind die zwei unterschiedlichen Varianten des Rotors zu sehen:
Die eindeutige Identifikation dieser vielen Varianten ist leider nicht immer einfach, da die Werke nie mit der Kalibernummer beschriftet sind. Auch die Zuordnung über die Tabelle oben ist leider nicht immer eindeutig, es gibt also vermutlich weitere Details zur Unterscheidung, die ich bisher nicht gefunden habe. Eine solches weiteres Merkmal könnten die Aufzugsräder des Automatikmoduls sein, die (vermutlich) bei älteren Werken Löcher haben, bei neueren Varianten nicht:
Die gute Nachricht ist, dass sich die Werke sehr häufig über die Referenznummer auf dem Bodendeckel der Uhr identifizieren lassen. Diese beginnt nämlich meist mit der Kalibernummer, gelegentlich hat sie eine führende Null, also z. B. 61xxx oder 061xxx:
Das Kaliber 61 ist die mit weitem Abstand am häufigsten anzutreffende Variante dieser Familie. Es steckt u. a. in dem ganz oben gezeigten Ricoh World Timer und auch in dieser Uhr aus der Zeit um 1970:
Bei der abgebildeten Uhr sieht man bei 2 Uhr den Drücker, der der Datum-Schnellverstellung dient. Für die Tagesanzeige gibt es keine Schnellverstellung, hier müssen also die Zeiger solange im Kreis gedreht werden, bis der richtige Tag angezeigt wird.
In den 1970ern gab es Ricoh-Werke auch in Uhren der Marke RonTic der Flensburger Silberwaren-Manufaktur Robbe & Berking. Sie waren mit dem Kaliber 67 ausgestattet. Ich vermute, dass Ricoh die ganzen Uhren gefertigt und nicht nur das Werk geliefert hat.
Auch diese Uhr hat bei 2 Uhr einen Drücker zur Schnellverstellung des Datums. Er liegt allerdings so tief, dass er auf dem Bild nicht zu sehen ist.
Das Ricoh 67 hat 30 Steine, davon werden neun als Kugellager des Rotors eingesetzt.
Und auch ein anderer deutscher Hersteller, die Dugena, hat sich bei Ricoh bedient:
Das Dugena 5400 ist ein Ricoh 41. Das Zifferblatt der Uhr ist am unteren Rand u. a. mit R41 beschriftet.
Bei diesem Werk erfolgt die Datum-Schnellverstellung durch wiederholtes Ziehen der Krone, das Kaliber 41 benötigt also keinen extra Drücker dafür.
Hier sieht man den Unterschied zwischen den zwei Varianten der Datum-Schnellverstellung. Der rote Pfeil markiert die Stelle, an der der Drücker ansetzt:
Und zum Schluss ein Ricoh 48, das nur eine Datumanzeige, aber keine Tagesanzeige hat. Dieses Werk hat keine Datum-Schnellverstellung, das Datum kann aber durch wiederholtes Zurückdrehen der Zeiger auf 21 Uhr und Vorwärtsdrehen der Zeiger auf 24 Uhr halbschnell verstellt werden.
Es gibt übrigens auch mindestens zwei Mitglieder der 30er-Familie mit Handaufzug statt Automatic: das Ricoh 53 mit Datum und Tag sowie das Ricoh 55 nur mit Datum.
Damit hätten wir die Automatic-Werke für Herrenuhren abgehandelt. Aber es gibt auch noch zwei Familien von Damenuhrwerken:
Die Ricoh-Serie 25
Damenuhrwerke mit folgenden Gemeinsamkeiten:
- Durchmesser: 7 3/4´´´ (französische Linien)
- Unruhfrequenz: 21.600 A/h (Halbschwingungen pro Stunde)
- Stunde, Minute, Zentralsekunde
- Rotor ohne Kugellager
Kaliber | Jahr | Steine | Datum | Tag | Stoß- sicherung |
Anmerkungen |
251 | ca. 1975 | 21, 22 | X | – | Monorex New | |
259 | ca. 1975 | 17 | X | – | Monorex New |
Bis auf die Anzahl der Steine sind diese Varianten technisch identisch. Ohne Automatikmodul gibt es dieselbe Werkbasis auch mit Handaufzug: das Kaliber 252 mit Datum und das 253 ohne Datum.
Zumindest das Werk mit 22 Steinen gibt es auch mit einer anderen Rotorform:
Die Kalibernummer findet sich auch hier nirgendwo auf den Werken, sondern nur als Beginn der Referenznummer auf dem Bodendeckel der Uhr. Im Gegensatz zur 30er-Familie von Ricoh lassen sich die wenigen Varianten der 25er-Werke aber auch so leicht unterscheiden.
Die Ricoh-Serie 29
Damenuhrwerke, die nicht von Ricoh entwickelt, sondern von Fremdherstellern zugekauft wurden. Interessanterweise nutzte Ricoh auch Werke aus der Schweiz. Auffällig ist, dass diese Damenuhrwerke sowohl eine Datums- als auch eine Tagesanzeige haben. Ricoh hatte kein selbstentwickeltes Damenuhrwerk mit beiden Anzeigen.
Kaliber | Durch- messer |
Jahr | Steine | Datum | Tag | A/h | Anmerkungen |
293 | 8´´´ | ca. 1975? | 17 | X | X | 28.800 | = Seiko 2906A (Japan) |
294 | 8 3/4´´´ | ca. 1979? | 17 | X | X | 21.600 | = AS 530.622 (Schweiz) |
Möglicherweise gibt es weitere Uhrwerke 29x, die zu dieser Familie gehören.
Wie bei den Serien 30 und 25 findet sich auch hier die Ricoh-Kalibernummer meist nur als Beginn der Referenznummer auf dem Bodendeckel der Uhr:
Zurück zum Ausgangspunkt dieses Artikels, der mit der Annahme begann, dass es nur zwei verschiedene Automatic-Werke von Ricoh gibt, das Kaliber 61 für Herrenuhren und das 251 für Damenuhren. Nun sind wir bei sechs Werkfamilien mit insgesamt 38 Varianten gelandet. Wobei sich zugegebenermaßen die Varianten der Familie 30, zu der das Kaliber 61 gehört, häufig nur in Kleinigkeiten unterscheiden.
Aber ich vermute, dass es bei den Familien 30 und 29 noch weitere Varianten der Ricoh-Werke gibt!
moin
können sie mir infos zu einer uhr mit der Referenznummer 643004 geben.
es ist ein erbstück meiner mama.
mit Freundlihen dank
Anna-Maria
Hallo Anna-Maria,
leider auch nicht mehr, also sich mit Google finden lässt. Anscheinend eine Damenuhr mit Quarzwerk.