Wir gehen hier aber mehr als 100 Jahre zurück in die Vergangenheit. 1903 eröffnet die Firma Obrecht & Cie. aus der schweizerischen Uhrenstadt Grenchen im österreichischen Bludenz einen Betrieb zur Remontage von Schweizer Uhren.
Damals waren in Österreich-Ungarn hohe Einfuhrzölle auf Schweizer Uhren fällig. Daher ließen Schweizer Firmen Einzelteile für Uhren nach Österreich importieren und montierten daraus komplette Uhren, um die Zölle zu umgehen. Neben Bludenz hatte Obrecht & Cie auch ähnliche Betriebe in Konstanz in Deutschland und in St. Ludwig im französischen Elsaß.
Hergestellt wurden sowohl Taschenuhren mit Anker- als auch Zylinderhemmung, die wohl hauptsächlich von Wiener Großhändlern aufgekauft wurden. Bis etwa 1913 wuchs die Firma stetig und hatte mehr als 50 Mitarbeiter.
Am Vorabend des Ersten Weltkrieges ging die Produktion massiv zurück. Während des Krieges wurde die Produktion von Taschenuhren zwar nicht ganz eingestellt, es wurden aber auch Zünderteile hergestellt. Mit dem Ende des Ersten Weltkrieges war auch das Schicksal der Donaumonarchie Österreich-Ungar besiegelt, sodass die Firma ihre Uhren nur noch in Österreich verkaufen konnte.
Obrecht & Cie stellte 1922 den Betrieb in der Schweiz ein und verkaufte die Firma in Bludenz an Josef und Otto Plangg sowie Oskar Pfluger, der vorher bereits Werkleiter des Betriebs war.
Heute befindet sich im Gebäude der ehemaligen Uhrenfabrik Plangg & Pfluger das Innovationszentrum Bludenz:
Wegen der stark gesunkenen Kaufkraft wurde die Produktion auf günstige Taschenuhren mit Stiftankerhemmung in sogenannter Roskopf-Bauweise umgestellt. Vertrieben wurden sie unter den Marken Montfort und Blau-Punkt-Uhr, aber auch mit nichtssagenden Zifferblattbeschriftungen wie Railway Timekeeper oder Shock-Proof Lever. Blau-Punkt-Uhren Made in Austria scheinen allerdings nur sehr selten aufzutauchen.
Die oben abgebildete Taschenuhr trägt auf dem Zifferblatt lediglich die Aufschrift Shock-Proof Lever und Made in Austria. So sieht so von hinten bzw. von innen aus:
Die Uhr weist die typischen Merkmale einfachster Uhren auf: dünnes Gehäuse aus Stahlblech, Stiftankerwerk, Pfeilerbauweise, keine Lagersteine, kein Sekundenzeiger, offenes Federhaus ohne Deckel. Darüber, was hier Shock-Proof sein soll, kann man durchaus rätseln, da hier keine Stoßsicherung verbaut ist!
Das Zifferblatt besteht aus einer dünnen Aluminiumscheibe, die von vorne auf das Werk aufgeschraubt wird. Und auch bei der Werkplatine wurden alle Teile an Material abgeschnitten, die nicht zwingend nötig waren.
Das Werk hat einen Durchmesser von 44,6 mm (19 3/4“‘). Es ist in [2] als Montfort 01 verzeichnet, dort allerdings mit einer vollständig runden Werkplatine. Das hier gezeigte Exemplar stammt also wohl aus einer Zeit, in der das Material sehr knapp war. Die gestanzte Federhausbrücke gibt es in unterschiedlichen Formen und auch die Form anderer Teile wurde immer wieder minimal angepasst.
Interessant beim Montfort 01 ist, dass der Bügelhals direkt im Werk integriert ist und nicht im Gehäuse. Das ermöglich eine stark vereinfachte Herstellung der Gehäuse. Zum Stellen der Zeiger muss die Krone gedrückt werden. Sie rastet dabei nicht in einer anderen Position ein, sondern muss gedrückt gehalten werden. Und auch beim Rücker an der Unruh wurde kreativ gespart, dient er doch gleichzeitig als Deckplättchen des Unruhlagers.
Vor Beginn des Zweiten Weltkriegs produzierte Plangg & Pfluger etwa 900 preisgünstige Uhren pro Tag (siehe [4]), die hauptsächlich nach Übersee exportiert wurden. Während des Krieges sankt die Uhrenproduktion auf ein Drittel, die Firma war auch wieder in der Rüstungsfertigung tätig. Sie konnte sich nach dem Krieg aber wieder erholen, sodass bereits 1950 etwa 20.000 Taschen- und 10.000 Armbanduhren pro Monat hergestellt wurden.
Das Montfort 01 wurde wohl mit kleinen Änderungen über mehrere Jahrzehnte gebaut. Erst in den 1960ern (Angabe in [2]) gab es eine nennenswerte optisch sichtbare Weiterentwicklung in Form einer moderneren Federhausbrücke. Dieses Werk wird in [2] als Montfort 02 bezeichnet. Zu finden ist das Werk meist in Uhren der Marken Roxedo bzw. Duke.
Bei dieser Uhr steht auf dem Zifferblatt unter der 6 nicht Made in Austria, sondern FOREIGN. Damit mussten auf der Basis des Merchandise Marks Act von 1926 ausländische Uhren gekennzeichnet werden, die nach Großbritannien importiert wurden (siehe [3]). Ob dies in den 1960ern immer noch zwingend war, konnte ich leider nicht herausfinden.
In [2] werden als Unterschiede zwischen Montfort 01 und 02 beschrieben:
- Federhausbrücke aus Messing beim Montfort 01, einfachere Federhausbrücke aus Stahlblech beim Montfort 02.
- U-förmige Ausstanzung auf der Zifferblattseite des Werkes zur Regulierung der Eingriffstiefe des Ankers beim Montfort 01. Diese fehlt beim Montfort 02.
Die Zuordnung zu 01 bzw. 02 ist m. E. aber nicht eindeutig! Das weiter oben gezeigte Werk hat zwar die alte Form der Federhausbrücke, diese besteht aber nicht aus Messing, sondern aus Stahlblech. Eine U-förmige Ausstanzung ist nicht vorhanden. Das Werk aus der Roxedo-Taschenuhr hat dagegen die modernere Federhausbrücke, aber eine U-förmige Ausstanzung. Vermutlich gibt es also zahlreiche Varianten des Montfort-Werkes, die sich nicht streng abgrenzen lassen. Letztlich sind sie technisch auch weitgehend identisch.
1967 ging die Firma Plangg & Pfluger schließlich in den Konkurs. Sie wurde von der Schweizer Firma Silvalux erworben, die anscheinend die Produktion der Uhren von Plangg & Pfluger fortsetzte. Zumindest findet man die entsprechende Aufschrift Silvalux Watch – Made in Austria auf Werken bzw. Deckelinnenseiten von Uhren der Marke Satellite. Auf dem Zifferblatt steht interessanterweise nicht Made in Austria, sondern Made Austria.
Die Werke in diesen Uhren sind außerdem häufig mit CRITERION WATCH CO. INC. punziert, einer Firma aus New York. Ob diese die Uhren lediglich in die USA importiert hat oder wirtschaftlich enger mit Silvalux verbunden war, weiß ich leider nicht.
Bereits 1968 stellt Silvalux die Fertigung in Bludenz wieder ein. Damit endete meines Wissens auch die Produktion einfacher und günstiger Uhrwerke in Österreich.
Quellen:
[1] Hans-Heinrich Schmid: Lexikon der Deutschen Uhrenindustrie 1850 – 1980, 2. Auflage 2012 [2] Eduard C. Saluz: Stiftankeruhren aus Deutschland, 2019 [3] Merchandise Marks Act: api.parliament.uk/historic-hansard/acts/merchandise-marks-act [4] Harald Walser: Bombengeschäfte (www.malingesellschaft.at/buchscans/Bombengeschaefte-ocr_verr.pdf)
Hallo
Gerade die 3/4 platine bringt einen zur Verzweiflung . Aber weiter probieren und aufpassen das die Zapfen heile bleiben. LG Udo Santin
Diese Uhren waren ebenfalls in USA als „Railway Timekeeper“ importiert: die Montfort 01 Werke sind meistens mit WARD CO. punziert.
Ciao
Guten Abend! Interessante und für mich hilfreiche Geschichte. Ich bin über das Uhrenforum zu Ihrer tollen Seite gekommen. Ich habe so eine Montfort vor mir liegen. Das Werk sieht aus wie Ihre Abbildung 01. Sie tickt wacker vor sich hin – aber nur, wenn sie am Bauch liegt u man der Unruhe einen leichten Schubs gibt. Ich würde sie gern reinigen und ölen, vielleicht hilft das ja. Aber zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich schon bei der Entfernung der Krone scheitere. Zieht mN das robuste Ding einfach aus dem robusten Eerk raus. Mit Schrauben links oder rechts der Krone tut sich nämlich nichts. Wenn Sie mir da einen Rat geben könnten wäre ich Ihnen sehr dankbar. Muss hinzufügen, habe erst eine Royce mit Unitaswerk erfolgreich serviciert…. mit freundlichen Grüßen aus Wien
Hallo Erna,
bei diesem Werk kann und muss man die Krone nicht entfernen, da sie zusammen mit dem Kronenhals eine Einheit bildet. Diese kann man am Stück entnehmen, wenn man die 3/4-Platine abschraubt. Dann liegen alle Teile des Werkes offen. Diese einfachen Werke sind aber sehr undankbare Kandidaten für eine Revision.