Telefonieren im Dreiminutentakt. Die vor dem Jahr 2000 Geborenen erinnern sich vielleicht noch daran: früher lag die Zeitdauer für eine Gebühreneinheit im Orts- bzw. Regionalbereich vieler Länder bei drei Minuten.
In Deutschland galt dies ab 1889 und, abhängig vom Anbieter und vom Tarif, bis in die 2000er Jahre. Heute ist die minuten- oder sekundengenaue Abrechnung üblich.
Die erste Telefonzelle in Deutschland wurde 1881 in Berlin aufgestellt, 1899 kam der Münzfernsprecher auf, also Telefonzellen für geschlossene Räume, etwa in Postämtern, Hotels oder Theaterfoyers. Telefone in der eignen Wohnung waren lange Zeit ein Luxusgut und daher entsprechend selten anzutreffen.
In der Anfangszeit der Telefonie mussten alle Gespräche zwischen zwei Teilnehmern von Hand vermittelt werden. Da dies meist durch Frauen geschah, wurden diese auch Fräulein vom Amt genannt. 1907 gab es bundesweit etwa 16.000 von ihnen! Die Automatisierung der Vermittlungsstellen begann zwar bereits 1908, aber erst 1966 waren alle Ortsnetze auf dem Gebiet der alten Bundesrepublik automatisiert!
Das oben gezeigte Telephonometer (französisch Téléphonomètre) des Schweizer Uhrenherstellers Zenith war ein nützliches Hilfsmittel in der Welt des Dreiminuten-Telefontaktes. Es diente dem Fräulein vom Amt dazu, die Gesprächsdauer zur Abrechnung korrekt zu ermitteln und dazu, dem Benutzer über ein optisches Signal anzuzeigen, dass bald drei weitere Minuten Gesprächszeit abgelaufen sind.
Zu diesem Zweck besitzt das Gerät an der Außenseite zwei Anschlüsse, die jeweils kurz vor Ablauf von drei Minuten für einige Sekunden kurzgeschlossen werden, also als Schalter dienen. Damit kann z. B. eine Leuchte in der Telefonzelle an- und wieder ausgeschaltet werden. Ein kleines Video zeigt dies:
Natürlich konnte eine entsprechende optische Signalisierung auch gleichzeitig in der Vermittlungsstelle selbst erfolgen. Das folgende Bild zeigt eine Vermittlungsstelle aus den 1920ern. An der linken Hand sind drei Telephonometer zu sehen.
Das Telephonometer hat einen Durchmesser von 60 mm (ohne Hebel) und eine Höhe von 29 mm. Der lange Hebel am Telephonometer hat gleich mehrere Funktionen:
- Hebel nach rechts: Start
- Hebel nach links: Stopp
- Hebel weiter nach links drücken: Nullstellen des Minutenzeigers und Aufziehen der Feder
Der Sekundenzeiger wird beim Nullstellen nicht zurückgesetzt, er bleibt also irgendwo stehen. Von großem Nutzen ist er sowieso nicht, da er nur von 0 bis 48 statt bis 60 Sekunden zählt. Immerhin sieht man anhand des Sekundenzeigers sehr schnell, ob das Werk überhaupt läuft.
Nach zwölf Minuten bleibt das Werk tatsächlich stehen und muss neu gestartet werden. Ganz nach dem Motto: Fasse dich kurz!
Zenith hat sich die Funktionalität des Telephonometers und einige Weiterentwicklungen davon in der Schweiz, in Deutschland, Frankreich und Großbritannien patentieren lassen:
- CH35608
Georges Favre-Jacot, 1906: Compteur avertisseur électrique pour contrôler la durée des conversations téléphoniques. - CH45850, CH64799, CH68282, CH96392, CH99414, CH102867
Weiterentwicklungen des oben genannten Patents zwischen 1908 und 1922. - DE189161
Georges Favre-Jacot, 1906: Signalvorrichtung zum Anzeigen der für Telefongespräche zulässigen Dauer. - FR373533
Georges Favre-Jacot, 1907: Compteur avertisseur électrique pour contrôler la durée des conversations téléphoniques. - GB12336 von 1908 (GB190812336)
Hermann Roost, 1908: Electric Indicating Meter for Controlling the Duration of Telephone Conversations.
Herman Roost war vermutlich der eigentliche Entwickler das Werkes bei Zenith.
Vielleicht ist dir auf dem Video oben aufgefallen, dass es sich um ein anderes Telephonometer als um das ganz oben gezeigte handelt? Auf dem Zifferblatt steht:
ST. BLAISE
LIC. ZENITH
Zenith hat also die Herstellung des Telephonometers an die Fabrique d’Horlogerie de Saint-Blaise S.A. (STB) in der Schweiz lizenziert. Ab wann dies der Fall war, weiß ich leider nicht. Auf jeden Fall nicht vor 1924, da dies das Gründungsjahr der STB war. Die verbauten Uhrwerke sind technisch identisch, ältere STB-Telephonometer haben sogar Werke, die mit ZENITH beschriftet sind.
Zeit, sich das Innenleben eines Telephonometers mal näher anzusehen. Zuerst muss das Werk aber aus dem Gehäuse entnommen werden, was hier leider nicht ganz trivial ist:
- Metallrand mit Glas absprengen
- Bodendeckel abschrauben
- Mittlerer Teil des Gehäuses aus Kunststoff (mit den externen Anschlüssen) nach hinten abziehen
- Hebel abschrauben und Werk inkl. Zifferblatt nach vorne herausdrücken
- Zeiger abheben
Für den Minutenzeiger benötigt man ein Spezialwerkzeug, da dieser sehr fest aufgepresst ist. - Zifferblatt entfernen (Schrauben seitlich am Rand des Werkes)
So sieht das ausgebaute Werk aus, hier ein St. Blaise, das mit ZENITH punziert ist.
Und so sieht ein Original von ZENITH aus, das die Referenz 201 trägt:
Neuere St. Blaise-Werke ohne ZENITH-Punze tragen unter der Unruh die Kaliberbezeichnung STB 211:
Technische Daten der Werke:
- Durchmesser 19“‘ (42,8 mm)
- Höhe 13,0 mm
- Schweizer Ankerhemmung
- Nickel-Unruh mit flacher Spirale
- Schlagzahl 22.500 A/h (Halbschwingungen pro Stunde)
Sehr ungewöhnliche Schlagzahl, diese wird aber in einem französischen Artikel aus der Zeit um 1920 bestätigt:
Jean Goyer: Le téléphonomètre indique le nombre et la durée des conversations téléphoniques - 7 Steine
Nehmen wir zuerst mal die große Brücke des Werkes ab. Darunter kommt ein Zahnradsegment zum Vorschein, das mit dem Hebel des Werkes verbunden ist und dazu dient, das Werk wieder aufzuziehen. Das Trieb im Zentrum des Werkes sitzt auf der Achse des Minutenrades. Auf ihr sitzt auf der Zifferblattseite der Minutenzeiger.
Unter dem Zahnradsegment kommt dann eine etwas unförmige Metallplatte zum Vorschein. Sie dient dazu, jeweils kurz vor Ablauf von drei Minuten die zwei externen Kontakte des Telephonometers kurzzuschließen. Dazu befinden sich an der Unterseite der blau markierten Stellen Stifte, die die mit grünen Linien markierte Lamelle gegen einen der Kontaktpunkte (grüner Kreis oben im Bild) drücken. Der zweite Kontaktpunkt ist ebenfalls mit einem grünen Kreis markiert.
Die unförmige Metallplatte hat noch eine weitere Funktion. An der Stelle mit dem roten Pfeil befindet sich eine Nase, die nach Ablauf von 12 Minuten auf einen Begrenzungsstift (roter Kreis) trifft und so das Werk anhält. Beim Rückstellen des Werkes über den Hebel wir die Metallplatte wieder um 360° zurückgedreht. Das folgende Video zeigt den Ablauf des Werkes im Zeitraffer. Man sieht dabei auch, wie die Lamelle an den oberen Kontaktpunkt gedrückt wird.
So sieht die Rückseite der Metallplatte aus:
Das goldfarbene Rad ist das Minutenrad, das mit dem Räderwerk verbunden ist. Das silberfarbene Rad sieht zunächst aus wie ein Federhaus, ist aber keines, sondern lediglich ein großes Rad mit sehr feiner Verzahnung. Beide Räder sind zusammengepresst und sitzen lose auf der Metallplatte. Die zwei seitlichen Sperrklinken greifen beim Ablaufen des Werkes, also bei Drehung des Minutenrades, in das silberne Rad ein und drehen so die Metallplatte mit.
Leider sind bei vielen Telephonometer-Werken die dünnen Federn dieser Sperrklinken verbogen oder abgebrochen. Sie lassen sich aber bei Bedarf durch zurechtgebogene Klinkenfedern anderer Uhrwerke ersetzen. Die Schrauben der Klinken haben übrigens ein Linksgewinde, auch wenn sie nicht bei allen Werken drei Schlitze als Kennzeichnung eines Linksgewindes aufweisen!
Schauen wir eine Ebene tiefer ins Werk:
An der rechten Seite sieht man die Teile, die für das Kurzschließen der externen Anschlüsse benötigt werden. Etwas links davon sind zwei weitere Sperrklinken zu sehen, die im Bild leider falsch stehen. Die Zähne sollten jeweils in Richtung Werkmitte zeigen. Sie greifen ebenfalls in das große silberfarbene Rad ein, allerdings etwas tiefer als die zwei oben gezeigten Klinken. Diese Sperrklinken hier verhindern das Zurückdrehen der Zugfeder beim Aufziehen. Wie bei einem normalen Uhrwerk auch, dort gibt es aber nur eine Sperrklinke.
Apropos Zugfeder, wo steckt diese eigentlich? Auf der Zifferblattseite in der Werkmitte! Die Achse des Minutenrades ist hier gleichzeitig der Federhauskern. Das folgende Bild zeigt einen Werkausschnitt mit montiertem und demontiertem Federhaus:
Das Federhaus wird durch drei Schrauben fixiert, kann sich also nicht drehen. Bei einem normalen Uhrwerk dreht sich beim Ablaufen des Federhaus, während der Federkern durch die Sperrklinke fixiert bleibt. Hier kann sich also nur das Minutenrad im Zentrum drehen, sowohl beim Aufzug als auch beim Ablaufen. Die kleinen Aussparungen am Rand des Federhauses dienen dazu, die Feder von Hand vorzuspannen. Dazu löst man die Schrauben ein wenig und dreht das Federhaus etwa drei volle Umdrehungen nach rechts. Dann werden die Schrauben wieder festgezogen. Dadurch wird die Feder weitgehend aufgezogen. Während der 12 Minuten Laufzeit des Werkes wird diese nur ein klein wenig entspannt.
Weiter geht es mit dem Werk. Hier nach dem Entfernen der Räderwerkbrücke:
Da sieht es ziemlich leer aus. Oberhalb der Mitte befindet sich das vom Minutenrad angetrieben Kleinbodenrad. Es folgenden das Sekundenrad, das Ankerrad, der Anker und schließlich die Unruh. Also ein klassisches Räderwerk. Der Anker ist in diesem Fall ein langer lateraler Anker:
Am linken unteren Rand sieht man zwei weitere Sperrklinken. Sie dienen dazu, den Hebel an Ort und Stelle zu halten. Das nächste Bild zeigt den eingelegten Hebel, an dessen Ende sich eine Feder (rot markiert) für den Sekundenstopp befindet. In der entsprechenden Hebelstellung drückt diese gegen den Unruhreif und stoppt so das Werk.
Hier findet man bei vielen Telephonometer-Werken einen zweiten Fehler, nämlich eine abgebrochene Feder des Sekundenstopps. Dies geschieht sehr leicht, wenn man zum Entnehmen des Hebels die Zeigerwerkbrücke nicht entfernt und den Hebel einfach nach außen abzieht.
Auch wenn das Werk auf den ersten Blich recht kompliziert aussieht, ist es letztlich ein normales Uhrwerk, auf dessen Minutenrad eine Metallplatte sitzt, die in regelmäßigen Abständen zwei Kontakte kurzschließt. Lediglich der unorthodoxe Einsatz des Federhauses und die Begrenzung der Laufzeit auf 12 Minuten sind etwas ungewöhnlich.
Zur Begrenzung der Laufzeit dient der oben bereits erwähnte Anschlag. Dieser ist nicht fix, sondern besteht aus einem Begrenzungsstift, der sich in einem Ausschnitt der Räderwerkbrücke etwas bewegen kann (grün markiert):
Der Anschlag dieses Begrenzungsstifts kann durch eine Schraube seitlich am Werk in gewissen Grenzen verschoben werden:
Damit kann präzise eingestellt werden, zu welchem Zeitpunkt die Kontakte jeweils geschlossen werden und dass beim Anschlag der Kontakt sicher wieder geöffnet ist.
Zum Schluss noch ein Gruppenbild aller Teile des Telephonometer-Werkes: