Am 15.09.1898 gründeten Stanislas Froidevaux und Joseph Gaibrois in Porrentruy, im Schweizer Kanton Jura, die Uhrenfirma S. Froidevaux & Cie.
Schon wenige Monate später, im Januar 1899, registrierte die Firma ihre zwei ersten Marken, zwei ineinandergreifende Zahnradsegmente sowie VORWÄRTS:
Joseph Gaibrois hatte übrigens 1896 eine eigene Firma gegründet, als deren Geschäftszweck „Metzgerei“ angegeben wurde. Was auch immer ihn dann zur Uhrmacherei getrieben haben mag. Er verstarb allerdings bereits im Jahr 1900.
Stanislas Froidevaux hat die Firma in den folgenden Jahren vermutlich allein geführt. 1902 wurde die Société des fabricants d’horlogerie du district de Porrentruy (Gesellschaft der Uhrenhersteller des Bezirks Porrentruy) gegründet. Froidevaux wurde ein Mitglied des Direktoriums dieser Gesellschaft, er hatte also wohl in der lokalen Uhrenwelt von Porrentruy eine gewisse Bedeutung.
S. Froidevaux ließ 1902 bzw. 1909 eine Reihe weiterer Marken registrieren:
- Atys (1902)
- Idole (1902)
- Jasmin (1902)
- Jota (1902)
- Sterna (1909)
- Dieda (1909)
- Eingriff (?)
Jota wurde übrigens auch vom deutschen Hersteller Junghans als Marke benutzt, die zwei Firmen hatten aber nichts miteinander zu tun.
Erst 1913 gab es anscheinend eine nennenswerte Veränderung in der Firma. Am 20. Februar gründeten Stanilas Froidevaux und Victor Bloch in Porrentruy die Manufacture d’horlogerie Panthère St. Froidevaux & Bloch.
Die neue Firma registrierte ebenfalls eine Reihe von Marken:
- Marine (1913)
- Panthère (1913)
- Planète (1913)
- Réclame (1913)
- Treue (1913)
- Siegreich (1917)
Am 22.03.1923 wurde die Firma bereits wieder aufgelöst und alle Aktiva und Passiva wurden am 09.04.1923 von der neu gegründeten Victor Bloch, Manufacture d’horlogerie Panthère übernommen. Froidevaux ist also zu diesem Zeitpunkt nicht mehr Teilhaber der Firma. Aber auch die von Bloch neu gegründete Gesellschaft wurde bereits 1930 wieder aufgelöst.
Leider konnte ich keinerlei weitere Informationen über Stanislas Froidevaux und seine Firma finden, etwa zu ihrer Größe oder ihrer wirtschaftlichen Situation. Auch Uhren von Froidevaux zu finden, gestaltet sich nicht so einfach. Obwohl die Firma zahlreiche Marken innehatte, scheinen fast alle Zifferblätter der Taschenuhren der Firma keine Marke aufzuweisen. Sie lassen sich also nur anhand der verbauten Werke identifizieren, gelegentlich auch durch eine der Marken im Deckel der Uhr.
Die Werke schauen wir uns nun an! Zum Glück hat Froidevaux eine ganze Reihe von sogenannten Modellen von Uhrwerken im Schweizerischen Handelsamtsblatt (SHAB) reservieren lassen. Die Modellnummern konnten vom jeweiligen Hersteller beliebig vergeben werden. Die Modellnummer ist keine offizielle Kaliberbezeichnung, sondern diente lediglich der Registrierung der Bauform.
In den meisten Fällen folgte die Nummer einer gewissen Logik, etwa einer fortlaufenden Nummerierung. Wir werden gleich sehen, dass es Froidevaux nicht so mit der Logik hatte…
Los geht es am 22.01.1901 mit dem Modell Nr. 1.
Nur knapp zwei Monate später, am 15.03.1901, registrierte Froidevaux eine weiteres Modell Nr. 1 sowie die Modelle Nr. 2, 3 und 4. So viel zur Logik…
Von diesem Modell Nr. 1 habe ich sogar ein echtes Exemplar vorliegen:
Dieses Werk ist mit der Marke JOTA sowie einem Hinweis auf die Registrierung im SHAB punziert: DÉPOSÉ No. 7851.
Das gezeigte Lépine-Werk hat einen Durchmesser von 18 1/2´´´ (französische Linien), eine Zylinderhemmung, 10 Steine sowie einen Kronenaufzug mit Drücker.
Die nächste Registrierung erfolgte am 25.02.1902 mit einem weiteren Modell Nr. 4, das optisch mit dem zuvor registrierten Modell Nr. 4 so gar nichts zu tun hat.
Auch von diesem Modell konnte ich ein Exemplar ergattern, das in der ganz oben abgebildeten Taschenuhr verbaut ist:
Auch dieses Werk enthält einen Hinweis auf den Hersteller, nämlich die Marke VORWÄRTS auf der Federhausbrücke. Diese Marke findet sich auch auf der Innenseite des Deckels der Taschenuhr.
Das Lépine-Werk hat einen Durchmesser von 18´´´, eine Zylinderhemmung, 10 Steine sowie einen Kronenaufzug mit Drücker.
Es folgt am 31.08.1903 das Modell Nr. 5:
Und am 20.11.1902 das Modell Nr. 6:
Es entspricht dem oben gezeigten Modell Nr. 1 vom 15.03.1901, hat aber eine moderne Schweizer Steinankerhemmung mit 15 Steinen und einer Bimetall-Schraubenunruh statt der Zylinderhemmung! Der Durchmesser beträgt 18 3/4´´´. Auch dieses Werk trägt auf der Platine einen Hinweis auf seine Registrierung im SHAB: DÉPOSÉ No. 9134. Verbaut ist das abgebildete Werk in dieser Taschenuhr:
Die nächsten Registrierungen erfolgten 1905 mit weiteren Modellnummern 1, 2 und nochmals 2, wobei letztere lediglich eine Minutenradbrücke umfasst.
Es dauert wiederum zwei Jahre bis 1907 bis zur nächsten Registrierung, dieses Mal ein Modell Nr. 10.
Wir machen einen Zeitsprung ins Jahr 1913, also nach dem Zusammenschluss von Froidevaux und Bloch. Interessanterweise folgt die Nummerierung der Modelle mit den Nummern 11 und 12 dem davor registrierten Modell Nr. 10. Für mich sehen die Nummern 10 und 11 allerdings identisch aus!
Nur wenige Monate später, am 04.04.1914 war dann wieder Schluss mit der logischen Nummerierung. Es gab erneut Modelle mit den Nummern 1 und 2. Es gibt nun also schon jeweils vier Modelle mit den Nummern 1 und 2!
Am 30.05.1914 registrierten Froidevaux & Bloch ein weiteres Modell Nr. 4, sodass es davon nun auch schon drei Varianten gab.
Die letzte Registrierung erfolgte am 28.03.1916 mit – Überraschung – einem fünften Modell Nr. 1.
Auch von diesem Werk habe ich ein Exemplar gefunden:
Dieses Werk hat einen Durchmesser von 18´´´, eine Zylinderhemmung, 10 Steine sowie einen Kronenaufzug mit Drücker. Dieses Werk gibt es auch mit einer Punzierung der Marke Siegreich von Froidevaux & Bloch:
Das folgende Bild zeigt eine Variante des Froidevaux-Modells Nr. 1 von 1916, die nicht im Schweizerischen Handelsamtsblatt verzeichnet ist. Sie unterscheiden sich voneinander nur in einer etwas anderen Brückenform und einer minimal anderen Zifferblattseite. Die technischen Daten sind identisch.
Nur wenige Werkehersteller haben Modellnummern ihrer Registrierungen im Schweizerischen Handelsamtsblatt mehrfach genutzt. Froidevaux ist der einzige mir bekannte, der dabei ein solches Chaos verursacht hat.
Falls einer meiner Leser weitere Informationen zu Stanislas Froidevaux, seinen Firmen oder seinen Werken hat, würde ich mich über eine Nachricht freuen!