Die Förster 220-Automatikwerke

Die Automatikwerke der Kaliberfamilie 220 des deutschen Herstellers Bernhard Förster waren in den 1970ern sehr erfolgreich. Wir schauen uns hier ein paar Besonderheiten dieser Uhrwerke an.

Förster 225

Zuerst ein wenig Geschichte

1907 eröffnete der 1879 geborene Bernhard Förster in Pforzheim eine Werkstatt zur Schmuckherstellung. Die Schmuckherstellung wurde sukzessive um die Produktion von Uhrengehäusen erweitert und ab 1934 wurden schließlich ganze Uhren unter dem Namen Foresta hergestellt. Ab 1937 produzierte Förster auch eigene Uhrwerke. Diese wurden nicht nur in eigenen Uhren verbaut, sondern auch an andere Hersteller und Handelsmarken geliefert, etwa die Dugena.

Förster-Logo

Förster-Werke sind also gar nicht so selten anzutreffen. Netterweise sind diese meist mit dem Förster-Logo und der Kalibernummer punziert.

Bernhard Förster 1879 –1963
[Quelle: FORESTADENT Bernhard Förster GmbH]

Nach der Zerstörung der Fabrik im Zweiten Weltkrieg konnte 1950 eine neue Produktionsstätte eingerichtet werden. Zum Glück hatte Förster seine Produktionsanlagen ins Umland ausgelagert, sodass diese für einen Neuanfang zur Verfügung standen. Förster beschäftigte sich früh mit Automatikwerken und spezialisierte sich nach und nach darauf.

Trotz des Erfolges der Automatikwerke musste auch Förster in der Quarzkrise der 1970er neue Wege finden. In diesem Fall führten diese weg von den Uhren und Uhrwerken und hin zu Dentaltechnik, da der vorhandene Maschinenpark und die hochqualifizierten Mitarbeiter bestens geeignet waren, hier Fuß zu fassen. Die Produktion von Uhrwerken wurde 1972 eingestellt. So existiert die Firma als FORESTADENT Bernhard Förster GmbH bis heute in Pforzheim und wird von Mitgliedern der Familie Förster geführt. Leider hat die Firma mit Uhren und Uhrwerken nichts mehr zu tun.

Die Förster-Automatikwerke

Das erste Förster-Automatikwerk wurde bereits 1954 als Kaliber 80 vorgestellt. Es basierte auf dem Handaufzugkaliber 50, dem ein abnehmbares Automatikmodul aufgesetzt wurde. Als Kaliber 81 gab es das Werk ab 1956 auch mit Datum.

Um Kosten zu sparen, wurde 1955 der Kupplungsaufzug durch einen einfacheren Wippenaufzug ersetzt. Aus dem Kaliber 80 wurde so das Kaliber 800, auf der Basis des Handaufzugwerkes 500.

Das ursprüngliche Kaliber 80 wurde 1957 mit einer Breguet-Kupplung zur Entkopplung des Handaufzugs vom Automatikaufzug ausgestattet und so zum Kaliber 90 ohne Datum sowie zum Kaliber 91 mit Datum. Es folgte ein Kaliber 191 mit Datum, das wohl eine einfachere Datumschaltung und einen modifizierten Rotor aufweist.

Förster 90

Das 1960 vorgestellte Kaliber 192 bestand aus der bekannte Automatikbaugruppe und dem Handaufzugkaliber 150 als Basis. Das Werk war gut einen Millimeter flacher als seine Vorgänger, da hier auf die untere Brücke des Automatikmoduls verzichtet wurde. Kaliber 196 war entsprechend die Variante mit Datum. 1962 wurden diese Werke zu den Kalibern 194 (ohne Datum) bzw. 197 (mit Datum) weiterentwickelt. Sie erhielten eine schraubenlose Unruh und eine von Förster patentierte Rotor-Verriegelung (Patent DE1188006).
Vermutlich um 1965 erschien als Variante das Förster 1197 mit Datum und Tagesanzeige.

Förster 196

1969 folgte schließlich das Förster 220 als erstes Automatikwerk der neuen 200er-Familie. Auf diese Automatikwerke gehen wir im nächsten Abschnitt ein.
Ergänzt wurden die 220er-Werke um 1972 durch die Kaliber 251, 253 und 255 mit einem Durchmesser von 13 1/2´´´. Die einzige mir bekannte Quelle zu diesen Werken beschreibt, dass diese alle eine digitale Anzeige haben. In meinem Besitz befindet sich allerdings ein Förster 253, das eine klassische Anzeige von Sekunden, Stunden, Minuten und Datum aufweist.

Patent DE1188006 – Ausschnitt

Am Ende der Automatikentwicklung stand 1972 das einzige Automatikwerk von Förster für Damenuhren, das Kaliber 420 sowie dessen Derivate 422, 426, 451, 453 mit unterschiedlichen Funktionen.

Förster 422
Förster 420

Die Automatikwerke der 220er-Familie

Basiswerk der 220er-Automatikwerke war das Förster 200 mit Handaufzug, das zu seiner Zeit um 1965 mit einer Höhe von 3, 5mm das dünnste in Deutschland produzierte Uhrwerk war.

Folgende Varianten dieser Familie gibt es:

  • 220: 11 1/2“‘, kein Datum
  • 221: 11 1/2“‘, kein Datum, digitale Anzeige der Stunden und Minuten
  • 222: 11 1/2“‘, Datum
  • 223: 13 1/2“‘, Datum, digitale Anzeige der Stunden und Minuten
  • 224: 11 1/2“‘, Datum und Tag in separaten Fenstern
  • 225: 13 1/2“‘, Datum, Tag, digitale Anzeige der Stunden und Minuten
  • 226: 11 1/2“‘, Datum und Tag in einem gemeinsamen Fenster
  • 228: 11 1/2“‘, Datum auf äußerem Ring

Alle Varianten haben eine direkte Zentralsekunde, 25 Steine, gut 40 Stunden Gangreserve und die Unruh schwing mit 21.600 A/h (Halbschwingungen pro Stunde).

Drei der oben aufgeführten Varianten kann ich hier zeigen, die Kaliber 222, 225 und 226:

Förster 222
Förster 225
Förster 226

Die Brückenseite ist, wie bei einer Werkfamilie zu erwarten, weitgehend identisch. Lediglich das 225 hat aufgrund der Digitalanzeige einen etwas größeren Durchmesser von 13 1/2´´´ statt 11 1/2´´´. Auffällig ist bei allen Varianten die treppenartige Anordnung der Brücken. Diese diente dazu, die Uhr optisch flacher erscheinen zu lassen. Klein und flach war damals angesagt!

Die Werke wurde mit unterschiedlichen Stoßsicherungen ausgestattet. Begegnet sind mir bisher die Incabloc, die Rufa Anti-Shock und die Antichoc S 65.

Förster 226 [Quelle: Förster]

Wir schauen uns nun den Aufbau einiger Werkkomponenten am Beispiel des Förster 226 etwas näher an, insbesondere die Automatik sowie die Datum- und Tagschaltung.

Das Basiswerk

Basiswerk der Automatikfamilie ist das Förster 200 mit Handaufzug:

Förster 200

Das Werk hat 17 Steine und eine Incabloc-Stoßsicherung. Wie bei den Automatikmodellen schwingt die Unruh mit 21.600 A/h (Halbschwingungen pro Stunde) und die Gangreserve beträgt gut 40 Stunden.

Auffällig ist, dass sich Kronrad und Sperrrad auf der Unterseite der Federhausbrücke befinden. Auf diesem Basiswerk kann auf der Brückenseite die Automatik platziert werden. Und auf der Zifferblattseite die Bauteile für die Datum- und Tagesanzeige. Datum und Tag gibt es natürlich auch für die Variante mit Handaufzug.

Das Basiswerk ist so konstruiert, dass das Federhaus bei Bedarf nach Abnehmen der Federhausbrücke direkt entnommen werden kann. Und das auch bei montierter Automatik!

Entnahme des Federhauses
[Quelle: Förster]

Datum und Tag

Datum und Tag schalten im normalen Betrieb schlagartig um Mitternacht um, also nicht schleichend und zeitversetzt, wie es damals meist üblich war. Auch heute gibt es noch Werke, bei denen zwischen dem Umschalten des Datums und des Tages Stunden vergehen!

Das Werk verfügt über zwei Varianten zum Stellen des Datums bzw. des Tages:

  1. Rückdrehen der Zeiger von 24 Uhr auf 20:45 Uhr und wieder Vorstellen auf 24 Uhr. Hierbei schalten sowohl das Datum als auch der Tag um.
  2. Wiederholtes Ziehen der Krone über den Punkt zum Zeigerstellen hinaus. Hierbei wird nur das Datum verstellt, nicht der Tag. Auch die Zeigerstellung ändert sich dabei nicht.

Es bietet sich also an, über die Variante 1 zunächst den Tag einzustellen und dann über Variante zwei das Datum.

Das folgende Video zeigt Variante 2 zum Stellen des Datums:

Und hier das dafür relevante Bauteil (blau) dazu:

Datum-Schnellschaltung [Quelle: Förster]

Die nächsten zwei Bilder zeigen die Zifferblattseite des Werkes ohne Tagesscheibe sowie einen Ausschnitt davon.

Das rot markierte Teil 1 ist das Datum-Mitnehmerrad, das über ein Zwischenrad vom Stundenrad angetrieben wird. Teil 2, der Spannschieber, wird von einer Nase an Teil 1 nach oben gedrückt und spannt so eine Feder (hier unter Teil 3 verborgen. Um Mitternacht fällt der Spannschieber durch die Federkraft wieder in seine Ausgangsposition zurück und dreht dabei den Datumring weiter. Teil 3, der Tagesschalter, ist an Teil 2 gekoppelt und sorgt so gleichzeitig dafür, dass auch der Tag weitergeschaltet wird.

Hier sind man das Zusammenspiel der Teile 1 und 2 nochmals etwas detaillierter:

Datumschaltung [Quelle: Förster]

Das folgende Video zeigt den Mechanismus, der sowohl die Datumscheibe als auch die Tagesscheibe (hier wegen der freien Sicht entfernt) weiterschaltet. Und gegen Ende des Videos die Variante 1 des halbschnellen Stellens des Datums durch Zurückdrehen der Zeiger.

Insgesamt also ein gut durchdachter Datumsmechanismus!

Automatik

Das folgende Bild zeigt einen Ausschnitt der Werkplatine bei entferntem Rotor. Rot markiert ist der Bereich, der die Teile für die Automatik enthält. Er ist erstaunlich klein. Die Automatikeinheit kann nicht als Modul abgenommen werden, da ihre untere Platine gleichzeitig die Räderwerkbrücke des Basiswerkes ist. Dies ist natürlich dem Wunsch nach einer möglichst geringen Höhe des Werkes geschuldet.

Unter der Automatikbrücke sieht es so aus:

Schauen wir uns die Bauteile der Automatik näher an:

Teil 1 ist die Rotorachse, Teil 2 ein Wippenwechsler, Teil 3 und 4 sind Reduktionsräder und Teil 5 die Sperrklinke der Automatik.

Rückseite des Rotors

Der auf der Rotorachse sitzende Rotor hat auf seiner Rückseite eine Zahnrad, das stets in das erste Rad des Wippenwechslers eingreift. Der Wippenwechsler sorgt dafür, dass sich das erste Reduktionsrad stets in dieselbe Richtung dreht, egal ob sich der Rotor rechts oder links herum dreht!

Dreht sich der Rotor nach recht, liegt das zweite Rad des Wippenwechsler am ersten Reduktionsrad an. Das erste Rad des Wippenwechslers dreht sich nach links, das zweite dadurch nach rechts und das erste Reduktionsrad schließlich nach links.

Dreht sich der Rotor nach links, liegt das erste Rad des Wippenwechsler am ersten Reduktionsrad an, das zweite hat keine Kontakt dazu. Das erste Rad des Wippenwechslers dreht sich also nach rechts und das erste Reduktionsrad wiederum nach links.

Das folgende Bild zeigt die Stellung des Wippenwechslers bei beiden Drehrichtungen des Rotors.

Die beiden Reduktionsräder dienen dazu, die schnelle Drehung des Rotors in eine langsamere Drehung mit größerem Drehmoment zum Aufzug der Zugfeder zu übersetzen. Und die Sperrklinke (Teil 5) sorgt dafür, dass sich die Reduktionsräder nur in eine Richtung drehen und nicht zurücklaufen können.

Das zweite Reduktionsrad hat auf seiner Unterseite ein Trieb, das an der im nächsten Bild rot markierten Stelle unter der Räderwerkbrücke in das sogenannte Umstelltrieb eingreift, das wiederum an der grün markierten Stelle das Sperrrad dreht und so die Feder aufzieht. Der rechte Teil des Bildes zeigt dieselbe Stelle bei entfernter Räderwerkbrücke.

Das Umstelltrieb entkoppelt die Automatik vom Handaufzug, sodass die Räder der Automatik beim Handaufzug nicht mit gedreht und belastet werden. Die folgende schematische Darstellung verdeutlicht die Funktionsweise des Umstelltriebs etwas besser.

Umstelltrieb zur Entkopplung der Automatik bei Handaufzug [Quelle: Förster]

Beim Aufzug durch die Automatik dreht das Trieb des zweiten Reduktionsrades (im Bild mit Automatikrad-Trieb bezeichnet) das Umstelltrieb (blau) und drückt dieses gegen das Sperrrad, sodass dieses die Feder aufzieht. Die Bewegungsrichtungen sind im Bild mit lilafarbenen Pfeilen markiert.

Beim Handaufzug dreht sich dagegen das Sperrrad. Dessen Drehung drückt das Umstelltrieb vom Sperrrad weg, sodass keine Verbindung zwischen Sperrrad und dem Trieb des Reduktionsrades mehr besteht. Handaufzug und Automatikräder sind also entkoppelt. Die Bewegungsrichtungen sind im Bild mit blauen Pfeilen markiert.

Auch hier also ein sehr simpler aber effektiver Mechanismus!

Wo stecken eigentlich die 25 Steine dieser Automatikwerke? Das Basiswerk hat 17 Steine, die Automatik sechs. Macht zusammen nur 23! Um auf 25 Steine zu kommen wurden dem Basiswerk einfach zwei Decksteine für das Ankerrad spendiert. Viele Steine waren damals durchaus ein Verkaufsargument.

Ein Gedanke zu „Die Förster 220-Automatikwerke“

  1. Vielen Dank für diesen hoch interessanten und äußerst anschaulichen Artikel!
    Ich weiß aus eigener Erfahrung was hier Arbeit und Recherche drinstehen müssen.
    Nochmals Danke für das teilen Deiner Arbeit mit uns Interessierten!

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