Bei modernen Armbanduhrwerken, etwa dem ETA 2824-2, ist der Sekundenstopp weitgehend Standard. D. h., beim Stellen der Zeiger wird der Sekundenzeiger angehalten, um die Uhr möglichst sekundengenau stellen zu können. Ich stelle euch hier zwei Taschenuhren aus der Zeit zwischen 1930 und 1940 vor, die ebenfalls über diese Komplikation verfügen.
Bei Taschenuhren war der Sekundenstopp nie verbreitet. Es wurden zwar durchaus besonders genau gehende Uhren benötigt, diese mussten aber nicht unbedingt exakt mit einem Zeitnormal, etwa einem Funksignal, übereinstimmen. Obwohl es auch diese Notwendigkeit in Ausnahmefällen gegeben haben mag.
Und auch heute ist das sekundengenaue Stellen bei Armbanduhren meiner Meinung nach eher ein Fetisch als eine Notwendigkeit. Wessen Tagesverlauf hängt schon davon ab, dass die Uhr absolut exakt geht?
Favor 14
Die erste hier vorgestellte Taschenuhr mit Sekundestopp fiel mir in einer Onlineauktion dadurch auf, dass das Zifferblatt keine Marke aufwies, aber oberhalb der kleinen Sekunde mit SEKUNDEN-STOPPER beschriftet war:
Die Neugierde war geweckt, also landete die Uhr bei mir. Die Deckel der Uhr zeigten lediglich das Büffel-Logo von Gustav Rau, einem Gehäusehersteller aus Pforzheim. Das einfache Steinankerwerk mit nur 7 Steinen und einem Durchmesser von 18 1/2´´´ ist mit der Zahl 14 markiert. Damit ließ es sich sehr schnell als Favor 14 identifizieren.
Favor war eine Marke des deutschen Uhren- und Werkeherstellers Schätzle & Tschudin. 1909 gegründet, hatte die Firma ihren Sitz bis 1911 in Lörrach, direkt an der Schweizer Grenze. 1911 erfolgt ein Umzug ins nahe gelegene Weil am Rhein, wo ab 1913 die ersten Rohwerke produziert wurden. Mit dem Beginn des ersten Weltkrieges wurde der Betrieb zunächst geschlossen, später wurden dort Rüstungsgüter produziert. In den 1920er Jahren entwickelte sich Pforzheim zum Zentrum der deutschen Uhrenproduktion. Folgerichtig eröffnete Schätzle & Tschudin 1921 eine Niederlassung zur Montage von Uhren in Pforzheim. 1933 hatte die Firma 40 Mitarbeiter. Etwa aus dieser Zeit dürfte die oben gezeigte Uhr stammen. Die Firma existierte immerhin bis in die 1980er.
Schauen wir uns also an, wie das Anhalten der kleinen Sekunde beim Stellen der Zeiger, also bei gezogener Krone, funktioniert. Man muss schon genau hinschauen, um auf dem nächsten Bild im rot markierten Bereich zu erkennen, dass hier etwas von links oben nach rechts unten die Unruh direkt an einer Unruhschraube blockiert.
Der Sekundenstopp wird also dadurch realisiert, dass die Unruh blockiert und damit das Uhrwerk angehalten wird. Den Mechanismus sieht man nach dem Entfernen der Federhausbrücke:
Da liegt also ein Hebel, der mit dem Kupplungstriebhebel auf der Zifferblattseite verbunden ist. Bewegt sich dieser beim Ziehen der Krone nach unten, drückt der Hebel seitlich auf die Unruh und hält diese an. Das nächste Bild zeigt die entsprechende Stelle auf der Zifferblattseite.
In welchem Umfang Favor 14-Werke mit Sekundenstopp ausgeliefert wurden, ist mir leider nicht bekannt. Ich hatte schon einige Favor 14-Werke in der Hand, dieses hier ist das erste mit Sekundenstopp!
Ein mit dem Kupplungstriebhebel verbundener Hebel ist übrigens bis heute der Standardmechanismus für den Sekundenstopp bei Armbanduhrwerken, etwa dem ETA 2824-2!
Junghans J41
Auch die zweite hier vorgestellte Uhr stammt aus deutscher Produktion: eine Junghans-Taschenuhr mit Junghans J41.
Das Junghans J41 mit einem Durchmesser von 18 1/2´´´, 15 Steinen, einer Bimetall-Schraubenunruh mit Breguet-Spirale und einem Schwanenhals-Feinregulator wurde von 1930 bis 1938 gebaut. Der Sekundenstopp war bei diesem Werk serienmäßig enthalten. Besonders hochwertige Uhren bekamen bei Junghans den Namenszusatz „Meister“.
Der Mechanismus für den Sekundenstopp befindet sich bei diesem Werk auf der Unterseite der Federhausbrücke:
Er ist geradezu genial einfach:
Die vordere Spitze der Aufzugswelle ist etwas länger als bei den meisten anderen Aufzugswellen. Bei gedrückter Krone drückt diese Spitze gegen eine Feder, die dadurch vom Unruhreif entfernt gehalten wird. Zieht man die Krone, bewegt sich diese Feder in Richtung des Unruhreifs und blockiert diesen. Das Bild oben zeigt den Zustand bei gezogener Krone. Und das nächste Bild denselben Zustand von der Brückenseite. Der Verlauf der Feder ist rot markiert.
Junghans hat auch weitere Taschenuhrwerke mit Sekundenstopp ausgestattet, z. B. das J41a sowie einige Mitglieder der J47-, J48- und J49-Familie.
Der Sekundenstopp bei Uhrwerken ist also eine recht einfache Komplikation, die meist nur ein einziges zusätzliches Bauteil benötigt.