Die Malleray Watch Co. ist ein weitgehend unbekannter Hersteller von Uhrwerken. Grund genug, das, was über die Geschichte und Uhrwerke dieser Firma bekannt ist, einmal zusammenzutragen.
Gegründet wurde die Malleray Watch Co. als Aktiengesellschaft am 30.12.1907 mit Sitz im gleichnamigen Schweizer Ort Malleray, etwa 60 km von Bern entfernt. Als Geschäftsführer wurden Emile Quartier-Hässig und Georges Quartier-Gabus ernannt. Das Kapital der Gesellschaft betrug 60.000 Schweizer Franken.
Es gab allerdings eine wesentlich ältere Société d’horlogerie de Malleray, da überliefert ist, dass diese ab 1867 die Uhrwerke der ersten Roskopf-Uhren geliefert hat. Mit dieser Firma werden wir uns hier nicht beschäftigen.
Schon kurze Zeit nach der Gründung, im März 1908, registrierte die Malleray Watch Co. im Schweizerischen Handelsamtsblatt (SHAB) die Form zweier Ankergabeln:
Es folgte im Juli 1909 die Registrierung zweier Sperrklinken:
Im August 1909 wurden schließlich die ersten zwei kompletten Uhrwerke als sogenannte Modelle registriert:
Technisch sind die zwei Modelle weitgehend identisch. Modell Nr. 5 ist die Lépine-Variante des Werkes, Modell Nr. 6 die Savonnette-Version. Die Modell-Nummern sind übrigens keine offiziellen Kaliberbezeichnungen, sondern dienten lediglich der Registrierung des Designs.
Modell Nr. 6 kann ich hier im Original vorstellen:
Das Werk mit einem Durchmesser von 19´´´ hat eine Schweizer Ankerhemmung, eine monometallische Schraubenunruh, 6 Steine, eine kleine Sekunde und weist folgende Besonderheiten auf:
- Pfeilerbauweise
- Indirekt angetriebene Minute (daher fehlt auf der Brückenseite im Zentrum des Werkes das Lager für ein Minutenrad)
- Negativer Aufzugmechanismus, für amerikanische Gehäuse, bei denen die Aufzugswelle Teil des Gehäuses und nicht des Werkes ist
- Ellipse nicht aus Rubin, sondern aus Metall
Das Modell Nr. 5 ist auch auf der folgenden Werbeanzeige von Malleray von 1913 abgebildet, zusammen mit der Information, dass es für amerikanische und englische Gehäuse vorgesehen ist und einen negativen Aufzug besitzt.
Weiter ging es im Februar 1911 mit den Modellen 7 und 8:
Auch diese zwei Lépine-Werke scheinen technisch identisch zu sein und sich nur in etwas anderen Brückenformen zu unterscheiden.
Die Entwickler der Malleray Watch waren anscheinend fleißig, da nur ein Jahr später, im Februar 1912, drei weitere Werke registriert wurden, die Modelle 9, 10 und 11:
Das Modell Nr. 10 befindet sich auch in meiner Sammlung:
Das Werk mit einem Durchmesser von 19´´´ hat eine Schweizer Ankerhemmung, eine monometallische Schraubenunruh, 11 Steine und eine kleine Sekunde.
Das zugehörige Zifferblatt ist mit Système Glashütte beschriftet. Wer wissen möchte, was es damit auf sich hat, wir hier fündig: System Glashütte – Was ist das?
Dann folgte der erste Umbruch in der Firmengeschichte. Am 01.09.1915 übernahmen die zwei Gesellschafter Emile Quartier-Hässig und Georges Quartier-Gabus die Firma und benannten sie um in Quartier frères, successeurs de Malleray Watch Co. (Brüder Quartier, Nachfolger der Malleray Watch Co.). Die Form der Aktiengesellschaft wurde also aufgegeben.
Die neue Firma startete im Februar 1916 mit der Registrierung weiterer Uhrwerke mit den Modellnummern 2, 3 , 4 und 5 im Schweizerischen Handelsamtsblatt:
Ein Modell Nr. 1 existiert auch, ist aber kein Uhrwerk, sondern ein Uhrengehäuse!
Nur wenige Tage später folgte die Registrierung vieler Einzelteile eines Aufzugsmechanismus unter den Modellnummern 6 bis 15:
Und im August 1916 dann wieder ein Uhrwerk, das Modell Nr. 16:
Dann war eine ganze Weile Funkstille, bis die Firma im März 1922 erneut zur Aktiengesellschaft wurde und von da an unter dem Namen Fabrique d’Horlogerie de Malleray S. A. (Malleray Watch Co.) firmierte. Der alte Name Malleray Watch war also auferstanden.
Die Registrierung der neuen Firma weißt interessante Details auf:
- Die Firma wurde nur auf vier Jahre gegründet, gerechnet ab dem 01.01.1922.
- Der Firmensitz wurde von Malleray noch Neuchâtel verlegt.
- Als Geschäftsführer wurde Emile-Georges Quartier benannt, vermutlich ein Nachfahre von Georges Quartier-Gabus (beide stammen aus Brenet).
- Zeitgleich wurde Roland Tièche als zweiter Zeichnungsberechtigter eingetragen und zum Direktor ernannt.
Die Wurzeln in Malleray wurden trotz der Verlegung des Firmensitzes nach Neuchâtel nicht aufgegeben, wurde doch 1923 eine Niederlassung in Malleray gegründet.
Auch die neue Firma hat natürlich Registrierungen beim Schweizerischen Handelsamtsblatt (SHAB) eingereicht. Es ging bereits Mitte März 1922 mit den Uhrwerken der Modelle Nr. 16, 17, 18, 19 und 20 los. Nochmal eine Nr. 16? Leider ja, da hatte jemand beim Einreichen der Registrierung vielleicht nicht aufgepasst. Oder es gibt einen tieferen Sinn dahinter…
Die Modelle 16, 17, 18 und 19 sind identisch zu den Modellen 2, 3, 4 und 5, die 1916 registriert wurden!
Zeitgleich wurden auch wieder die Teile eines Aufzugsmechanismus als Modelle 20 bis 29 registriert, die bereits 1916 als Modelle 6 bis 15 registriert wurden! Die erneute Registrierung ersetzte wohl die formale Übertragung der alten auf die neue Firma.
Interessant ist das Datum der Registrierungen, da die Statuten der neuen Firma erst vom 31.03.1922 datieren und die Gründung am 15.04.1922 im SHAB veröffentlicht wurde! De facto erfolgten die Registrierungen unter der neuen Firma also vor deren Gründung.
Im Oktober 1922 wurden wieder neue Uhrwerke registriert, die Modelle 30, 31 und 32:
Im Juli 1923 folgte das Modell Nr. 33:
Dieses kann ich hier auch zeigen:
Das Werk mit einem Durchmesser von 10 1/2´´´ hat eine Schweizer Ankerhemmung, eine monometallische Schraubenunruh, 10 Steine und besitzt keine Sekundenanzeige. Auf dem Sperrrad findet man die Punzierung VERDICT, eine der Marken der Malleray Watch (siehe Tabelle weiter unten).
Im August 1925 wurden gleich 12 weitere Werke neu registriert, die Modelle 34 bis 45:
Und dann war Schluss, es wurden also keine weiteren Uhrwerke im SHAB mehr registriert. Dafür erhielt die Fabrique d’Horlogerie de Malleray S. A. (Malleray Watch Co.) die Schweizer Patente CH107243 (1923) und CH118259 (1926) für Teile von Uhrwerken.
Das nächste Bild zeigt einen kleinen Ausschnitt des ersten Patentes. Der Mechanismus zum Aufziehen und Zeigerstellen sieht dem des oben gezeigten Modells 33 doch sehr ähnlich.
Ab hier werden die Informationen zur Firmengeschichte recht dünn. Die Fabrique d’Horlogerie de Malleray S. A. (Malleray Watch Co.) war ja nur auf die Dauer von vier Jahren gegründet worden, hätte also zum 31.12.2025 wieder aufgelöst werden müssen. Tatsächlich wurden die Statuten der Gesellschaft im Januar 1926 so geändert, dass die Firma auf unbestimmte Zeit weiterbestehen konnte. 1930 wurde der Firmensitz wieder von Neuchâtel nach Malleray verlagert. 1941 befand sich die Firma dann in Liquidation und bot den gesamten Firmenbesitz zum Verkauf an. Im Februar 1942 wurde sie schließlich für aufgelöst erklärt.
26 Jahre später, im März 1968, ist die Firma unter dem Namen Malleray Watch, Georges Juillerat, wieder auferstanden. Schon im Dezember 1968 erfolgte aber deren Auflösung und zeitgleich die Neugründung als Malleray Watch S.à.r.l., also als Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Gesellschafter waren Georges und Eliane Juillerat, Roland Carrera und François Pelletier. Roland Carrera schied 1970 wieder aus der Firma aus.
Ob es eine Verbindung zwischen der alten und neuen Malleray Watch gab, konnte ich leider nicht herausfinden. Die Namen der Gesellschafter lassen zumindest nicht direkt auf eine Verbindung schließen.
Mit der Herstellung von Uhrwerken hatte die neue Firma vermutlich nichts mehr zu tun.
Es geht weiter mit den Umfirmierungen und Umzügen. Im Juli 1972 gründete François Pelletier zusammen mit Claude Wittwer die Pelletier et Wittwer, Malleray Watch in Malleray, die gleich im Dezember 1972 den Firmensitz nach Reconvilier verlegte. Im November 1973 wurde aus der Pelletier et Wittwer, Malleray Watch, die Pelletier & Cie, Malleray Watch, im Besitz von François und Marie-Claire Pelletier. Claude Wittwer war also wieder ausgeschieden.
François Pelletier war sowohl an der Malleray Watch S.à.r.l. als auch an der Pelletier & Cie, Malleray Watch beteiligt. Die Frage, wie die eine aus der anderen hervorgegangen ist, muss ich leider unbeantwortet lassen.
Am 13.03.1995 ging die Pelletier & Cie, Malleray Watch, schließlich rückwirkend zum 01.01.1995 in der neu gegründeten Pelletier & Cie S.à.r.l. auf, in der François Pelletier zahlreiche seiner Firmenbeteiligungen konsolidierte. Damit verschwand der Name Malleray Watch vom Markt!
Neben den zahlreichen Uhrwerken und Teilen von Uhrwerken ließen sich die Malleray Watch Co. und deren Nachfolgerfirmen eine ganze Reihe von Markennamen reservieren:
| Marke | Firma | Datum Registrierung |
|---|---|---|
| Cadi-al-Koda | Fabrique d’Horlogerie de Malleray S. A. (Malleray Watch Co.) | 05.12.1922 |
| Costo | Malleray Watch Co. | 23.12.1910 17.02.1916 an Quartier frères übertragen |
| Courtege | Pelletier & Cie, Malleray Watch | 02.12.1974 Am 15.07.1975 wieder gelöscht |
| Cyprés | Quartier frères, successeurs de Malleray Watch Co. | 14.01.1922 |
| Duphont | Pelletier & Cie, Malleray Watch | 07.08.1974 |
| Fino | Malleray Watch Co. | 23.12.1910 17.02.1916 an Quartier frères übertragen |
| Lara | Malleray Watch S.à.r.l. Pelletier & Cie, Malleray Watch | 22.05.1970 09.10.1990 |
| Mabet | Quartier frères, successeurs de Malleray Watch Co. | 14.01.1922 |
| Malleray | Malleray Watch Co. | 30.12.1907 |
| Nerina | Malleray Watch Co. | 19.03.1913 17.02.1916 an Quartier frères übertragen |
| Noni | Malleray Watch Co. | 23.12.1910 17.02.1916 an Quartier frères übertragen |
| Nox | Malleray Watch Co. | 10.06.1914 17.02.1916 an Quartier frères übertragen |
| Onorina | Malleray Watch Co. | 20.11.1912 |
| Orb | Malleray Watch Co. | 10.06.1914 17.02.1916 an Quartier frères übertragen |
| Paxor | Pelletier & Cie, Malleray Watch | 02.07.1982 |
| PFR | Pelletier & Cie, Malleray Watch | 06.04.1979 |
| Radium | Quartier frères, successeurs de Malleray Watch Co. | 11.01.1916 |
| Riadeb | Quartier frères, successeurs de Malleray Watch Co. | 06.10.1919 |
| Richelieu | Malleray Watch S.à.r.l. Pelletier & Cie, Malleray Watch | 21.01.1970 20.04.1990 |
| Verdict | Fabrique d’Horlogerie de Malleray S. A. (Malleray Watch Co.) | 05.12.1922 |
Wie immer ein sehr gut recherchierter und interessanter Artikel. Da ich aus eigener Erfahrung weiss, wieviel Arbeit in einer solchen thematische Aufbereitung steckt, möchte ich Dir ein großes Dankeschön aussprechen.