Junghans Dreikreis-Labor-Stoppuhren

Die seit den 1950ern von Junghans hergestellten Dreikreis-Stoppuhren im Format einer Taschenuhr sind bekannte Design-Klassiker. Es gab von Junghans aber auch große Laboruhren mit Dreikreis-Anzeige.

Den ältesten Hinweis auf diese Uhren habe ich in einem Junghans-Katalog von 1950 gefunden. In einer Junghans-Preisliste von April 1951 ist die hier gezeigte Variante mit 330 Deutschen Mark verzeichnet. Den ältesten Hinweis auf die Dreikreis-Taschenuhr konnte ich in einem Junghans-Katalog von 1956 finden, gebaut wurde diese aber wohl ab 1955. Die Dreikreis-Laboruhr existiert also etwas länger als die Taschenuhr.

Die Dreikreis-Laboruhr gab es in folgenden Ausführungen:

TypFunktion
310/0401Stoppuhr zur Erfassung einmaliger Vorgänge.
1/10 Sekunden-Anzeige
310/0402Stoppuhr zur Erfassung einmaliger Vorgänge.
1/100 Sekunden-Anzeige
310/0403Stoppuhr zur Erfassung einmaliger Vorgänge.
1/1000 Minuten-Anzeige
310/0404Additions-Stoppuhr zur Erfassung verschiedener aufeinanderfolgender Vorgänge.
1/10 Sekunden-Anzeige
310/0405Additions-Stoppuhr zur Erfassung verschiedener aufeinanderfolgender Vorgänge.
1/100 Sekunden-Anzeige
310/0406Additions-Stoppuhr zur Erfassung verschiedener aufeinanderfolgender Vorgänge.
1/1000 Minuten-Anzeige
310/0407Spezial-Additions-Stoppuhr, erfordert während der Dauer des Messvorgangs das ständige Drücken des Knopfes bzw. einen Dauerstrom für den Betätigungsmagneten.
1/100 Sekunden-Anzeige
Auszug aus dem Junghans-Katalog 1953

Alle Varianten können von Hand über einen bzw. zwei Drücker bedient werden und außerdem über einen Stromimpuls bzw. einen Dauerstrom bei der Spezial-Additions-Stoppuhr. In allen Fällen muss die Uhr von Hand aufgezogen werden, auch dann, wenn Start, Stopp und Nullstellung elektrisch ausgelöst werden!

Die hier vorgestellte Laboruhr vom Typ 310/0401 hat einen Durchmesser von 147 mm ohne Sockel und eine Tiefe von 73 mm. Das Gewicht liegt bei etwa 1,6 kg.

So sieht die Rückseite der Uhr aus:

Oben befindet sich der aufgeschraubte Schlüssel zum Aufziehen. Aufgezogen wird nach links, zum Entfernen der Rückseite muss der Schlüssel nach rechts abgedreht werden. Unten in der Mitte befinden sich die Anschlüsse für die elektrische Auslösung. Wir schauen uns diese gleich noch näher an.

Dann werfen wir mal einen Blick ins Innere:

Das Werk hat die Kaliberbezeichnung W267. Rechts davon ist ein recht großer Tauchanker-Elektromagnet zu sehen.

Entwickelt wurden das W267 sowie die Werke J28 und W701 von Hans Schlenker (1906 – 1984). Bereits 1934 ließ er sich ein Dreikreis-Stoppuhrwerk patentieren (deutsches Patent DE597698) aus dem später das J28 für Taschenuhren entstand. 1963 folgte das amerikanische Patent US3077729 für eine 1/1000-Minuten Taschen-Stoppuhr.
Hans Schlenker war zur Zeit der ersten Patentanmeldung Mitarbeiter der Firma Hartmann & Braun in Frankfurt. Diese erwarb von ihm eine Lizenz und fertige als erste Firma Dreikreis-Großstoppuhren, also vor Junghans. Nach dem zweiten Weltkrieg gab Hartmann & Braun die Produktion von Großstoppuhren auf und gab die Lizenz zurück. Ende 1945 wurde Schlenker Mitarbeiter von Junghans. Junghans erwarb eine Lizenz von ihm und er entwickelte für Junghans das W267.

Hartmann & Braun Dreikreis-Stoppuhr 1935

Um das Innenleben aus dem Gehäuse zu entnehmen kann wie folgt vorgegangen werden:

  • Aufzugschlüssel entfernen (nach rechts drehen)
  • Schrauben der Rückwand entfernen und Rückwand abnehmen
  • Schrauben am Boden entfernen
  • Verschraubung des Drückers von außen lösen
  • Werk nach hinten entnehmen
  • Vorsicht: das Glas ist nicht gesichert und kann nach hinter herausfallen!
  • Sprengringe von Minuten- und Sekundenzeiger abziehen und beide Zeiger ein Stück nach oben ziehen. Die Zeiger verbleiben am Zifferblatt!
  • Abdeckung des 1/10 Sekunden-Zeigers abschrauben
  • 1/10 Sekunden-Zeiger vorsichtig abhebeln
  • Zifferblatt abschrauben und inkl. Zeiger nach oben abheben

Beim Entfernen der Abdeckung des 1/10 Sekunden-Zeigers taucht eine kleine Überraschung auf: dieser besteht nicht aus einem Zeiger, sondern aus drei Zeigern! Die Verfärbungen und Flecken auf dem Zifferblatt lassen sich leider nicht mehr ohne Beschädigungen entfernen.

Wie gerade beschrieben, verbleiben die Minuten- und Sekundenzeiger am Zifferblatt. Beide haben auf der Rückseite des Zifferblattes ein sogenannte Herzscheibe. Es sorgt dafür, dass der Zeiger beim Nullstellen der Stoppuhr wieder exakt auf der Nullposition landet.

Herzscheiben für Minuten- und Sekundenzeiger
Herzscheibe – Detail

Alle anderen für die Funktion einer Stoppuhr nötigen Bauteile befinden sich auf der Zifferblattseite des Werkes. Wir schauen uns aber zuerst die Rückseite des Werkes an.

Wichtiger Hinweis: vor dem Zerlegen des Werkes immer die Zugfeder entspannen. Andernfalls entspannt sich diese schlagartig. Dies kann Schäden am Werk sowie Verletzungen zur Folge haben!

Hier wurde die hintere Platine bereits entfernt:

Rückseite des Junghans W267

Der Kraftfluss (grün markiert) erfolgt vom Federhaus (1) über das Großbodenrad (2), das Sekundenrad (3) und ein Zwischenrad (4) zum Ankerrad (5). Es fehlt also zwischen Großboden- und Sekundenrad das Kleinbodenrad eines klassischen Werkaufbaus.

Das folgende Bild zeigt den Ausschnitt, in dem das Zwischenrad das Trieb das Ankerrades antreibt:

Eingriff Zwischenrad in Ankerrad-Trieb

Der Sekundenzähler sitzt auf der Zifferblattseite auf dem Zapfen des Sekundenrades, der 1/10 Sekundenzähler auf dem Zapfen des Ankerrades, ebenfalls auf der Zifferblattseite. Der Minutenzähler wird indirekt von einem zifferblattseitigen Trieb auf dem Großbodenrad angetrieben.

Das Junghans W267 hat inklusive Elektromagnet einen Durchmesser von 145 mm, eine Höhe von ca. 55 mm und ein Gewicht von 1.013 g. Die Gangreserve der 1/10-Sekunden-Variante beträgt 3,5 Stunden, bei der 1/100-Sekunden-Variante sind es lediglich 25 Minuten. Auf dem Federhaus befindet sich eine Malteserkreuz-Stellung, die dafür sorgt, dass die Feder nicht bis zum Vollaufzug aufgezogen werden kann und auch nicht ganz ablaufen kann. Dies sorgt für einen stabilen Gang des Werkes, kostet aber etwas potentielle Gangreserve.

Federhaus mit Malteserkreuz-Stellung

Schauen wir uns nun also die Zifferblattseite des Werkes an:

Zifferblattseite des Junghans W267 in Nullstellung

Das große Rad links ist das eben erwähnte Rad für den Minutenzähler, das an seinem rechten Rand vom Trieb auf dem Großbodenrad angetrieben wird. Unten links ist ein Echappement zu sehen, also ein Modul, das die Unruh, den Anker und das Ankerrad trägt und als Ganzes auf das Werk geschraubt wird.

Echappement

Das Echappement trägt die Bezeichnung BEC17, hat eine Nickel-Unruh mit Breguet-Nivarox-Spirale, 9 Steine und die Unruh tickt mit 36.000 A/h (Halbschwingungen pro Stunde). Die 36.000 A/h entsprechen 10 „Ticks“ pro Sekunde, also einem pro 1/10 Sekunde. Die hohe Schwingfrequenz ist zwingend nötig, um überhaupt 1/10 Sekundeneinheiten messen zu können.
Der Rest des Werkes muss übrigens ohne Steinlager auskommen!

Die für die Stoppuhrfunktion (Nullstellung, Start, Stopp) nötigen Komponenten befinden sich ebenfalls auf der Zifferblattseite:

  • Die Herzhebel(grün markiert)sorgen dafür, dass die weiter oben gezeigten Herzscheiben die Zeiger auf null stellen. Zwei davon, die für den Sekundenzähler und den Minutenzähler, sind klassische Herzhebel. Der dritte Hebel für den 1/10 Sekundenzähler greift direkt in einen auf das Ankerrad gepressten Ring mit drei Zacken ein, sodass immer der nächstliegende Zacken blockiert wird und so einer der drei 1/10 Sekundenzeiger bei Null zum Stehen kommt.
    Im folgenden Bild kann man die Zacken gut erkennen:
Stoppen des 1/10 Sekundenzählers
  • Der Sekundenstopp-Hebel(rot markiert)trägt an seinem Ende eine weiche Kunststoffrolle, die beim Stoppvorgang gegen die Unruh gedrückt wird und so das Werk unverzüglich stoppt.
  • Das Säulenrad(blau markiert)wird bei jedem Druck auf den Knopf der Stoppuhr um eine Position weitergeschaltet und sorgt dafür, dass die vier eben beschriebenen Hebel bei jedem Knopfdruck die richtige Position einnehmen:
KnopfdruckPosition HerzhebelPosition Sekundenstopp
1. StartNicht an den Zählern anliegendNicht an Unruh anliegend
2. StoppNicht an den Zählern anliegendAn Unruh anliegend
3. NullstellungAn den Zählern anliegendNicht an Unruh anliegend
Säulenrad

Das goldfarben gezackte Rad wird bei jedem Druck auf den Knopf der Stoppuhr um eine Position weitergeschaltet. Damit dreht sich auch das schwarze Säulenrad weiter, die daran anliegenden Hebel landen abwechselnd auf einer Erhöhung oder in einer Vertiefung und ändern so ihre Lage.

Beim oben gezeigten Bild des Werkes befindet sich dieses in Nullstellung. Die zwei folgenden Bilder zeigen es nach dem Start im laufenden Zustand sowie nach dem Stopp.

Junghans W267 im laufenden Zustand nach Start
Junghans W267 im gestoppten Zustand

Das folgende Video zeigt die den Wechsel zwischen Start, Stopp und Nullstellung ebenfalls:

Bei Nullstellung läuft die Unruh übrigens noch einige Sekunden nach, die Zeiger sind aber alle blockiert.

Zum Abschluss noch ein paar Informationen zur elektrischen Steuerung des Werkes. Der Tauchanker-Elektromagnet zieht bei jedem Stromimpuls einen Eisenkern nach unten. Dieser ist mit dem Drückermechanismus des Werkes verbunden. An dergrün markiertenStelle im Bild wirkt der mechanische Drücker, an derblau markiertender Elektromagnet.

Die Uhr darf also nicht permanent mit der Spannungsversorgung verbunden sein, sondern benötigt für jeden Schaltvorgang lediglich einen kurzen Stromimpuls.

Diese Laboruhren wurden von Junghans mit Elektromagneten für unterschiedliche Spannungsversorgungen ausgeliefert (jeweils +/- 10 %):

  • 6, 12, 24, 110, 220 V Gleichspannung
  • 110, 220 V Wechselspannung

Mein Exemplar ist für 220 V Wechselspannung ausgelegt. Junghans gibt als Leistungsaufnahme 35 W an. Bei der Magnetspule habe ich einen Widerstand von 380 Ohm gemessen.

In die Anschlüsse auf der Rückseite kann ein früher u. a. bei Waffeleisen und Bügeleisen üblicher Heißgerätestecker gesteckt werden:

Heißgeräte-Stecker (alt)

Damit die Spannungsversorgung nicht permanent am Gerät anliegt, wird in die Leitung ein Taster geschaltet, der im nicht gedrückten Zustand die Leitung unterbricht (Typ NO = normally open). Unbedingt ein 3-adriges Netzkabel mit Schutzleiter verwenden, da die Uhr ein Metallgehäuse besitzt!

Taster zwischen Spannungsversorgung und Uhr

Der oben gezeigte Ausschnitt aus dem Junghans-Katalog von 1953 zeigt einen mitgelieferten Impuls-Knopf, der hinten aus dem Gehäuse herausgeführt ist. Die Unterbrechung der Leitung findet hier also innerhalb dieses Gehäuses statt. Mein Exemplar besitzt keine Durchführung für einen solchen Knopf.

Das Video ganz oben in diesem Artikel zeigt die Laboruhr mit elektrischer Steuerung über den Taster.

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