Courvoisier? Nein, hier soll es nicht um den gleichnamigen Cognac gehen, sondern um eine Schweizer Familie von Uhrenherstellern, die mehr als 200 Jahre Uhrengeschichte aufweisen kann und dennoch kaum bekannt ist. Keine Angst, wir arbeiten hier nicht den ganzen Stammbaum durch, sondern konzentrieren uns auf wenige Familienmitglieder.
Die Geschichte beginnt mit Louis Courvoisier (1758 – 1832), der 1787 von seinem Schwiegervater Josué Robert in seine um 1770 gegründete Firma aufgenommen wird. Die Firma heißt fortan J. Robert & Fils, Courvoisier & Cie. 1795 wurde der Firmenname in Robert & Courvoisier geändert. Schließlich übernahm Courvoisier die Uhrenabteilung und ab 1811 hieß die Firma Courvoisier & Cie. Sie war in La Chaux-de-Fonds, Genf und Paris ansässig. Neben Louis Courvoisier waren auch Jean-Pierre Robert und Humbert-Droz Teilhaber. Louis Courvoisier war wohl sehr reisefreudig und hatte unter anderem bereits 1815 Handelsbeziehungen mit Russland aufgebaut. Damals war Courvoisier anscheinend einer der wichtigsten Schweizer Hersteller von Reiseuhren.
Louis Courvoisier hatte fünf Söhne und drei Töchter. Die drei Söhne Henri Louis (1796 – 1867), Frédéric Alexandre (1799 – 1854) und Philippe Auguste (1803 – 1873) waren alle auf die eine oder andere Weise mit der Firma verbunden. 1825 übergab Louis Courvoisier die Firmenleitung an Frédéric Alexandre Courvoisier. Für die Firma war Frédéric Alexandre hauptsächlich als Geschäftsfreisender unterwegs, kehrte aber häufig nach La Chaux-de-Fonds zurück, um sich um Firmenangelegenheiten und politische Themen zu kümmern. Seine zahlreichen Reisen führten ihn u. a. nach Italien, Portugal, Russland, Ägypten und in die Türkei. Er lernte Italienisch, Englisch, Spanisch, Portugiesisch und etwas Russisch.
Frédéric Alexandre Courvoisier, der auch „Fritz, der Kommandant“ genannt wurde, war einer der militärischen Anführer der Revolution von 1848 im Kanton Neuenburg, die zum Ende der preußischen Herrschaft führte. Bereits 1831 beteiligte er sich am ersten radikalliberalen Volksaufstand in La Chaux-de-Fonds, der scheiterte und zu seiner Verbannung in den Kanton Bern führte.
Fritz kehrte um 1840 nach La Chaux-de-Fonds zurück. 1842 trennten sich die Wege der Brüder. Fritz gründete seine eigene Firma, Fritz Courvoisier, um sich von seinen konservativen Brüdern abzugrenzen. Die ursprüngliche Firma wurde von Henri Louis und Philippe Auguste unter dem Namen Courvoisier Frères weitergeführt.
Ironie der Geschichte: 1842 besuchte der preußische König La Chaux-de-Fonds und ausgerechnet Courvoisier Frères wurde von der Stadt gebeten, eine goldene Uhr als Geschenk für den König herzustellen. Diese soll nach Aussage von Henri Louis Courvoisier die damals flachste Uhr der Welt gewesen sein.
1852 gab es erneut eine Veränderung in der Firma. Philippe Auguste verließ diese und drei Söhne von Henri Louis übernahmen das Zepter, Henri Edouard, Louis Philippe und Jules Ferdinand. Ab diesem Zeitpunkt wurde 1852 als Gründungsdatum der Firma angegeben. Wobei diese in den Folgejahren anscheinend wechselnde Namen hatte. Erst 1880 firmierte sie wieder als Courvoisier Frères. Henri Edouard starb 1882 und aus der Firma wurde die Courvoisier & Fils, geführt von Louis Philippe und seinen zwei Söhnen, Emile und Louis. 110 Jahre nach ihrer Gründung führt also die vierte Generation der Courvoisiers die Firma. 1883 folgte die nächste Umfirmierung in Courvoisier & Cie. Auch dies blieb nicht lange so, schon 1885 wurde daraus wieder Courvoisier Frères.
Um 1900 war Courvoisier besonders in Portugal, Spanien, Südamerika und im Fernen Osten aktiv und vertrieb Taschenuhren u. a. mit dem Namen El Aguila (der Adler).
1905 registrierte Courvoisier unter dem Namen Mobilis eine Taschenuhr mit Tourbillon, dessen Bauweise auf dem Schweizer Patent CH30754 von Paul Loichet beruht. Das Besondere dabei ist, dass das Tourbillon auf der Zifferblattseite des Werkes zu sehen ist. Und die einfache Konstruktion, die ihm den Namen Volkstourbillon einbrachte. Heute sind diese Uhren gesuchte Sammlerobjekte!
Das Spiel der wechselnden Firmennamen wiederholt sich noch einige Male. Die Firma scheint mindestens bis etwa 1930 aktiv gewesen zu sein, sie scheint aber noch sehr viel länger existiert zu haben. Einen Nachweis für ihre Auflösung konnte ich leider nicht finden.
Zwischen 1905 und 1924 hat Courvoisier im Schweizer Handelsamtsblatt 13 Uhrwerke als sogenannte Modelle reservieren lassen. Diese schauen wir uns nun an. Die jeweiligen Modellnummern konnte jede Firma beliebig vergeben. Diese mussten keiner bestimmten Logik folgen. Es gab auch keinen Zwang zur Registrierung, es kann also auch Werke eines Herstellers geben, die nicht registriert wurden. Und es musste zu den registrierten Werken nicht zwingend real existierende Exemplare geben.
Die erste Registrierung von 1905 zeigt als Modell Nr. 1 das oben gezeigte Mobilis-Tourbillon:
Ende 1908 folgten die Modelle 1677 und 1678:
Anfang 1909 gibt es mit den Modellen 1679 und 1680 weiter:
1913 wurden dann die Modelle 3, 4 und 5 registriert:
Sechs Jahre später, 1919 waren es dann die Modelle 121 und 123, die es auf jeden Fall auch als echte Werke existieren.
Das Modell 121 ist ein klassisch aufgebautes Werk mit Schweizer Ankerhemmung, einem Durchmesser von 10 1/2´´´ (französische Linien), 15 Steinen und einer Bimetall-Schraubenunruh. Dieses Exemplar hat keine Sekundenanzeige, obwohl es dieses Werk ziemlich sicher auch mit einer solchen gibt.
Interessant ist die Punzierung MADIX auf der Zifferblattseite und dieses Logo auf der Räderwerkbrücke:
MADIX war eine von zahlreichen Marken, die Courvoisier im Lauf der Zeit registriert und genutzt hat.
Das Modell 123 ist fast identisch mit dem Modell 121, es hat lediglich andere Brückenformen und eine monometallische Schraubenunruh.
Weiter geht es 1921 mit den Modellen 81 und 83. Modell 33 war lediglich ein Rücker für den Unruhkloben. Auch von Modell 81 kann ich ein echtes Exemplar zeigen.
Das gezeigte Modell 81 hat eine damals bereits veraltete Zylinderhemmung, einen Durchmesser von 9 3/4´´´, 10 Steine und ebenfalls keine Sekunde. Das Werk enthält auch den oben als Modell 33 abgebildeten Rücker! Auf dem Sperrrad ist die Marke JAMES WALKER punziert, die aber wohl nicht zu Courvoisier gehört.
Die letzte Registrierung erfolgt 1924 mit dem Modell 17, das ebenfalls gebaut wurde.
Das Modell 17 hat eine Schweizer Ankerhemmung, einem Durchmesser von 17´´´, 15 Steine, eine monometallische Schraubenunruh und eine kleine Sekunde. Der Aufbau entspricht dem eines sogenannten Roskopf-Werkes, diese wurden allerdings meist mit einer Stiftankerhemmung gebaut. Der Kronenaufzug mit Drücker war damals auch schon nicht mehr zeitgemäß.
Auf diesem Werk ist eine weitere Variante des Courvoisier-Logos zu sehen:
Sowohl die hier vorgestellte Geschichte als auch die Übersicht der Werke von Courvoisier sind naturgemäß unvollständig, erlauben aber doch einen kleinen Einblick in die mehr als zweihundertjährige Geschichte eines heute fast unbekannten Uhrenherstellers.