Armbanduhren mit Regulator-Zifferblatt

Regulator-Zifferblätter fallen auf den ersten Blick auf. Dort, wo sich sonst in der Mitte des Zifferblattes mindestens zwei Zeiger drehen, nämlich die für die Stunden und Minuten, ist nur ein einziger Zeiger zu sehen, der für die Minuten. Der Stundenzeiger findet sich dann, ebenso wie die Sekunde, als kleiner Zeiger oberhalb oder unterhalb der Mitte. Wozu ist das gut und wo kommt es her?

Nienaber Regulator 2

Geschichte des Regulators

Zuerst schauen wir mal, wo der Begriff Regulator oder Régulateur herkommt. Und da wird es kompliziert, da der Begriff durchaus unterschiedliche Sachverhalte beschreibt.

Zunächst war der Régulateur die Person, die Uhren, zunächst Wand- bzw. Standuhren mit Pendel, später auch Taschenuhren, möglichst präzise reguliert hat. Elektronische Zeitwaagen, die eine schnelle Regulierung erlauben, gab es damals noch nicht. Es war also eine mühsame und langwierige Angelegenheit.

Bald wurden auch Präzisionspendeluhren mit einer speziellen Anordnung der Zeiger auf dem Zifferblatt als Régulateur oder Regulator bezeichnet. Typischerweise befand sich dabei der Sekundenzeiger oberhalb der Mitte und der Stundenzeiger unterhalb. Dies sollte eine besonders gute Ablesbarkeit garantieren. Sternwarten oder auch Uhrenhersteller benötigten hochpräzise Zeitnormale, um andere Uhren damit regulieren zu können. Auch heute noch werden solche Präzisionspendeluhren für Liebhaber hergestellt, z. B. von Erwin Sattler.

Zifferblatt der Erwin Sattler Classica Secunda 1995 [Quelle: Erwin Sattler]

Dann gibt es Taschenuhren, die den Begriff Régulateur bzw. Regulator auf dem Zifferblatt tragen, aber ein ganz normales Zifferblatt haben. Dies soll dem Käufer natürlich suggerieren, dass die gekaufte Uhr besonders präzise ist. Ein Versprechen, das in vielen Fällen nicht gehalten wurde, da in diesen Uhren u. a. auch einfachste Stiftankerwerke verbaut wurden. Ein Beispiel sind die Uhren mit der Aufschrift Régulateur Français, über die ich hier berichtet habe: Victor Anguenot – wieder Uhrwerke aus Frankreich

Und schließlich gibt es auch Armbanduhren mit Regulator-Zifferblatt. Einen wirklichen Mehrwert hat diese Art der Anzeige bei Armbanduhren nicht, aber sie bietet ein wenig Abwechselung, wenn man sich mit dem Ablesen der Uhrzeit anfreunden kann. Die Antwort auf die Frage „Wozu macht man das?“ lautet also einfach „Weil man es kann!“.

Bei Armbanduhren mit Regulator-Zifferblatt befindet sich der Sekundenzeiger meist unterhalb der Mitte und der Stundenzeiger oberhalb. Es gibt nur wenige Hersteller, die diese auch mit der „richtigen“ Anordnung, also der Sekunde oben, herstellen bzw. hergestellt haben. Erwin Sattlers Regulateur 1920 oder der King Size Regulator von Rainer Nienaber gehören dazu. Die „falsche“ Anordnung mit der Sekundenanzeige unten ergibt sich bei Uhrwerken für Armbanduhren ganz natürlich, wenn diese über eine kleine Sekunde verfügen. In diesem Fall muss das Werk nur für die geänderte Anzeige der Stunden umgebaut werden, die Sekunde bleibt einfach da, wo sie sich bei der normalen Zeitanzeige befindet.

Erwin Sattler Regulateur 1920
[Quelle: Erwin Sattler]

Uhrwerke mit Regulatoranzeige

Wir schauen uns nun am Beispiel folgender Uhrwerke an, wie eine Regulatoranzeige bei Armbanduhren technisch realisiert werden kann:

  • Seagull ST1711
    Ein chinesisches Automatik-Uhrwerk, das als Teil einer großen Werkfamilie mit Regulatoranzeige hergestellt wird.
  • Molnija 3602
    Ein russisches Handaufzugswerk mit Regulator-Umbau.
  • AS 1130
    Ein Schweizer Handaufzugswerk mit Regulator-Umbau durch Rainer Nienaber.
  • ETA 2824-2 mit Regulator-Modul
    Ein Schweizer Automatikwerk mit Regulator-Zusatzmodul.

Seagull ST1711 / TY2807

Das ST1711, auch als TY2807 bezeichnet, mit einem Durchmesser von 11 1/2´´´ ist das einzige hier gezeigte Uhrwerk, das ab Werk eine Regulatoranzeige besitzt. Die ST17-Familie mit vielen verschiedenen Varianten ist preisgünstig und aus aktueller Fertigung. Daher ist es oft in günstigen Uhren anzutreffen, leider häufig mit einem durchaus gewöhnungsbedürftigen Design, wie bei diesem Exemplar:

PortaS Regulateur PS58I-TY2708-01

Man sieht anhand der Position der kleinen Sekunde, dass hier ein Uhrwerk verbaut wurde, das eigentlich viel zu klein für die Uhr mit 50,6 x 40,6 mm ist.

Die ST17-Familie hat von Haus aus eine kleine Sekunde, sodass für diese keine Anpassungen für die Regulatoranzeige nötig sind. Das Werk ist nach dem Ausbau unscheinbar und nicht unbedingt eine optische Schönheit.

Seagull ST1711 / TY2807

Die Mechanik für die Regulatoranzeige befindet sich unter der großen Abdeckplatte auf der Zifferblattseite.

Sie besteht aus einem Stundenrad im Zentrum, dem ein Trieb aufgesetzt wurde, einem größeren Zwischenrad und einem kleinen Rad mit einem Zapfen für den dezentralen Stundenzeiger bei 12 Uhr.

Das Trieb auf dem Stundenrad und das kleine Rad sind gleich groß und haben dieselbe Verzahnung. Das führt dazu, dass die Drehung des zentralen Stundenrades 1:1 auf das dezentrale Rad übertragen wird. Die Größe des Zwischenrades spielt für die Übersetzung keine Rolle und kann daher so gewählt werden, das die dezentrale Stundenanzeige an der gewünschten Stelle platziert ist.

Molnija 3602 mit Regulator-Umbau

Ein klassisches Taschenuhrenwerk mit einem Durchmesser von 16´´´ , das schon lange nicht mehr hergestellt wird, aber über Jahrzehnte produziert wurde, sodass noch viele Exemplare in unterschiedlichen Qualitäten zu finden sind. Leider hat das Werk keine Stoßsicherung.

Regulateur mit Molnija 3602

Die hier gezeigte Uhr wurde so nie in einer Uhrenfabrik hergestellt, sondern von einem Uhrmacher oder ambitionierten Laien aus einem Gehäuse, einem angepassten Zifferblatt und einem modifizierten Werk zusammengestellt. Also eine sogenannte Mariage. In diesem Fall hat er das Werk auch noch recht hübsch mit thermisch gebläuten Teilen verziert. Ähnliche Uhren sind mit verschiedenen Motiven auf dem Zifferblatt häufig in Online-Auktionen zu finden.

Molnija 3602

Bei dieser Uhr mit dem stattlichen Durchmesser von 49,6 mm fallen sofort zwei Besonderheiten auf. Zum einen befindet sich die Krone nicht bei 3 Uhr, sondern bei 12 Uhr. Zum anderen liegt die Stundenanzeige nicht bei 12 Uhr, sondern links davon bei etwa 10:30 Uhr. Ein Regulator im eigentlichen Sinne ist das also nicht! Die Ursache dafür liegt in der Art und Weise, wie das Uhrwerk mit einfachsten Mitteln umgebaut wurde. Ein Blick unter das Zifferblatt offenbart diese:

Hier wurde kein einziges zusätzliches Zahnrad verbaut! Das zentrale Stundenrad, das vom Wechselrad angetrieben wird, wurde einfach aus dem Zentrum so verlagert, dass es weiterhin in das vorhandene Wechselrad eingreift. Dazu sind nur wenige Modifikationen am Werk nötig:

  • Einbohren eines Zapfens, um den sich das Stundenrad dezentral drehen kann
  • Abschleifen der Winkelhebelfeder, sodass der Zapfen Platz findet
  • Ausfräsen der Werkplatine, sodass das Stundenrad Platz hat

Entfernt man das Stundenrad, kann man die Modifikationen besser erkennen:

So sieht die Winkelhebelfeder des Werkes unbearbeitet aus:

Dieses Vorgehen erklärt, warum sich die dezentrale Stundenanzeige nicht bei 12 Uhr befindet: das Wechselrad gibt den möglichen Radius um das zentrale Minutenrohr für die Verlagerung vor und bei 12 Uhr ist kein Platz, da sich dort ein Zeigerstellrad befindet.

AS 1130 mit Regulator-Umbau

Ein klassisches Armbanduhrenwerk mit einem Durchmesser von 13´´´, das ebenfalls schon lange nicht mehr hergestellt wird. Der deutsche Uhrmacher Rainer Nienaber hat es auf eine Regulatoranzeige umgebaut und verziert. Und auch das Gehäuse, das Zifferblatt sowie die Zeiger selbst entworfen. Leider ist er mittlerweile nicht mehr als Uhrmacher aktiv, sondern genießt den verdienten Ruhestand.

Das Werk steckt in der ganz oben gezeigten Nienaber Regulator 2. Im Gegensatz zum bereits erwähnten Nienaber King Size Regulator hat der Regulator 2 die Sekundenanzeige nicht bei 12 Uhr, sondern bei 6 Uhr.

Auch dieses Uhrwerk wurde verschönert, in diesem Fall mit Zierschliffen und gebläuten Schrauben.

Werk des Nienaber Regulators 2

Beim Ausbauen des Uhrwerkes fällt sofort auf, dass es einen Aufbau hat, der das Werk etwas höher und größer macht. Der Durchmesser wächst so von etwa 29,3 auf 34,8 mm.

Das Konstruktionsprinzip ist hier dasselbe, wie beim oben gezeigten Seagull-Werk. Sie besteht aus dem Stundenrad im Zentrum, dem ein Trieb aufgesetzt wurde, einem größeren Zwischenrad und einem kleinen Rad mit einem Zapfen für den dezentralen Stundenzeiger bei 12 Uhr. Auch hier sind das Trieb auf dem Stundenrad und das kleine Rad gleich groß und beide haben dieselbe Verzahnung. Die Größe des Zwischenrades spielt also für die Übersetzung keine Rolle, da die Drehung des zentralen Stundenrades 1:1 auf das dezentrale Rad übertragen wird.

Durch den extra Aufbau spielt es keine Rolle, welches Bauteil sich am Originalwerk unter dem neuen Stundenrad befindet. Er bietet außerdem eine Auflagefläche für das Zifferblatt. Unter der großen Platte des Aufbaus befindet sich lediglich eine kleine Platte, die das Zwischenrad trägt:

ETA 2824-2 mit Regulator-Modul

Das ETA 2824-2 ist DAS Schweizer Automatikwerk schlechthin und seit Jahrzehnten in Uhren vieler Hersteller zu finden. Hier ist es als Basis in einem Lorenz Theatro Regulateur verbaut.

Lorenz Regulator

Als einziges der hier gezeigten Werke besitzt das 2824-2 im Originalzustand keine kleine Sekunde, sondern eine Zentralsekunde. Das macht den Umbau auf eine Regulatoranzeige etwas schwieriger. In diesem Fall erfolgt der Umbau durch einen extra Modul, das zifferblattseitig auf das Basiswerk aufgeschraubt wird. Ich vermute, dass es von Dubois-Depraz stammt, einem Schweizer Spezialisten für zahlreiche Modulaufbauten. Ganz sicher bin ich aber nicht.

Die Zifferblattseite des Werkes mit dem Modul sieht so aus:

Außer einer dünnen Abdeckplatte gibt es wenig zu sehen, darunter schon etwas mehr:

Blau markiert sind die Teile, die für die neue Stundenanzeige zuständig sind. Wir kennen das Prinzip schon von den anderen Werken:
Ein Trieb auf dem Stundenrad in der Mitte, ein gleich großes Rad mit einem Zapfen für den Stundenzeiger und ein Zwischenrad, das beide verbindet.

Durchaus interessant ist auch der grün markierte Teil, der dafür sorgt, dass das Werk eine kleine Sekunde bekommt. Zwischen dem Stundenrad in der Mitte und dem kleinen goldfarbenen Rad rechts darunter gibt es keine Verbindung. Dieses Rad wird nämlich vom Kleinbodenrad des Basiswerkes angetrieben. Dieses befindet sich im nächsten Bild an der grün markierten Stelle auf der Brückenseite des ETA 2824-2.

Dazu musste dessen Zapfen zifferblattseitig verlängert werden, um auf diesen das kleine goldene Rad aufpressen zu können. Von dort geht es über zwei weitere Räder zu einem Trieb, dessen Zapfen den kleinen Sekundenzeiger trägt. An diesem Trieb liegt eine Friktionsfeder an, die dafür sorgt, dass der Sekundenzeiger nicht flattert, da er sich nicht im direkten Kraftfluss des Werkes vom Federhaus zum Anker befindet. Es genügte hier also nicht, auf das Basiswerk einfach ein Modul aufzuschrauben und das Stundenrad zu ändern, sondern auch das Kleinbodenrad musste ausgetauscht werden.

2 Gedanken zu „Armbanduhren mit Regulator-Zifferblatt“

  1. Danke für den Artikel über das Thema: Armbanduhren mit Regulator Zifferblatt was mich schon immer sehr interessiert hat. Leider wurde die technische Seite immer ausgeblendet.
    Vielleicht aus angst vor nachbauten ich weis es nicht. In einigen Foren wurden man sogar kritisiert wen die Ziffernblattseite mit der Anordnung der Zahnräder gezeigt wurde.
    Aber hier nun endlich einsehbar.
    Danke
    JR

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