Das Miyota 9075 mit echter GMT-Funktion

Etwa Mitte 2022 kamen erste Uhren auf den Markt, in denen das japanische Miyota 9075 mit einer echten GMT-Funktion verbaut war. Ein solches Werk war schon länger erwartet worden, allerdings hatte Miyota im Vorfeld keinen Pressewirbel darum veranstaltet.

Bei einer echten GMT-Anzeige „hängen“ der Minutenzeiger und der Sekundenzeiger am 24 h-Stundenzeiger, die Datumschaltung dagegen am normalen Stundenzeiger. Der normale Stundenzeiger zeigt die lokale Ortszeit an, der 24 h-Stundenzeiger die Ortszeit zuhause. Der Stundenzeiger lässt sich meist nur in Einheiten von ganzen Stunden relativ zum 24 h-Stundenzeiger einstellen. Bei echten GMT-Werken kann man also den normalen Stundenzeiger und damit auch das Datum verstellen, während Minuten-, Sekunden- und 24-Stundenzeiger weiterlaufen. Das ist praktisch, um auf Reisen schnell die lokale Ortszeit anzupassen. Das Datum schaltet hier sogar rückwärts, wenn man den Stundenzeiger über die Datumsgrenze zurückdreht.

Wer etwas mehr über unterschiedliche GMT-Varianten erfahren möchte, wird hier fündig: Funktionsweise einer GMT-Anzeige Teil 1 – Grundlagen

Das Miyota 9075, das wir uns gleich ansehen werden, stammt aus dieser Uhr, mit der wir uns hier aber nicht weiter beschäftigen wollen:

Zeppelin Atlantic GMT mit Miyota 9075

Der grüne Zeiger ist der 24 h-Stundenzeiger, für den es auf dem Zifferblatt auch eine 24 Stunden-Skala gibt.

Das Basiswerk des Miyota 9075 ist das Miyota 9015, das ich hier ausführlich beschrieben habe: Das Miyota 9015 – Ein Blick ins Innere

Bevor wir uns mit dem Innenleben des Werkes beschäftigen, zunächst die technischen Daten des Miyota 9075:

  • Anzeige von Stunden mit echter GMT-Funktion, Minute, Zentralsekunde mit Sekundenstopp, Datum, 24 h-Anzeige
  • Keine Datum-Schnellverstellung, sondern halbschnell über Stundensprünge der GMT-Funktion
  • Automatik, einseitig aufziehend, Handaufzug möglich
  • Durchmesser 11 1/2“‘ (französische Linien) = 26 mm, Höhe ca. 4,95 mm
  • 28.800 Halbschwingungen/Stunde (A/h)
  • Gangreserve ca. 42 Stunden
  • Ankerhemmung
  • 24 Steine
  • Glucydur-Unruh
  • Stoßsicherung Citizen Parashock
  • Hebewinkel 51°

Brückenseitig sind das Miyota 9075 und das 9015 bis auf die Beschriftung des Rotors identisch. Die Unterschiede finden sich auf der Zifferblattseite, auf die wir uns hier konzentrieren. Zum Vergleich sind im nächsten Bild die Zifferblattseiten des Miyota 9015 (links) und des 9075 (rechts) zu sehen:

Zifferblattseite Miyota 9015 (links) vs. 9075 (rechts)

Durch die zusätzliche GMT-Funktion des 9075 vergrößert sich dessen Höhe um ca. 1 mm im Vergleich zum Basiswerk.

Entfernen wir also beim 9075 die Datumhalteplatte und die Datumscheibe:

Nicht sehr spannend, da sich darunter eine weitere Abdeckplatte befindet. Außerdem im Zentrum das Stundenrohr für die 24 h-Anzeige, das anscheinend von einem kleinen Wechselrad angetrieben wird. Und über dem 24 h-Stundenrohr ein Datum-Mitnehmerrad, das mit dem kleinen Zacken die Datumscheibe schaltet.

Gut, nehmen wir also die mit drei großen Schrauben befestigte Abdeckplatte ab. Darunter befindet sich, hurra, noch eine Abdeckplatte, die allerdings nur aufgelegt ist:

Das 24 h-Stundenrad im Zentrum wurde hier schon abgenommen, darunter befindet sich das Stundenrad für den normalen Stundenzeiger. Auch das Datum-Mitnehmerrad wurde entfernt, links oberhalb des Stundenrades sieht man das kleine Rad, das dieses antreibt.

Nachdem wir auch diese Abdeckplatte entfernt haben, ist endlich die Sicht auf das Zeigerwerk frei:

Hier gleich eine Warnung, falls du ein Miyota 9075 selbst zerlegst:
Das Stundenrad in der Mitte trägt eine kleine Klinke und eine Klinkenfeder, die nur auf dem Stundenrad aufliegen.

Stundenrad mit Klinke und Klinkenfeder

Wenn du in diesem teilzerlegten Zustand des Werkes versuchst, den Stundenzeiger über die GMT-Funktion zu verstellen, werden sich die Klinke und die Klinkenfeder mit hoher Wahrscheinlichkeit selbständig machen und durch den Raum fliegen! Nur wenn die Halteplatte mit den drei großen Schrauben aufliegt, sind diese Teile gesichert.

Das folgende Bild zeigt das Zeigerwerk bei abgenommenem Stundenrad. Im Zentrum sieht man nun das indirekt angetriebene Minutenrad.

Das Stundenrad hat neben der oben gezeigten Klinke eine weitere Besonderheit, nämlich zwei übereinander angeordnete Zahnkränze:

Genau genommen besteht das Stundenrad aus zwei ineinander gesteckten Teilen mit jeweils einem Zahnkranz. Die kleine Klinke sorgt dafür, dass beim Drehen des oberen Zahnkranzes der untere mitgedreht wird. Beim Drehen des unteren Zahnkranzes bewegt sich der obere dagegen nicht mit. Die Achse für den Stundenzeiger ist mit dem unteren Zahnkranz verbunden.  Dieser Unterschied ist entscheidend für die GMT-Funktion, also das Stellen des Stundenzeigers in ganzen Stundensprüngen.

Schauen wir uns nun das Zeigerwerk anhand folgender Nummerierung näher an:

  1. Zeigerstellrad
  2. Wechselrad für Stundenrad (3)
    Dessen Trieb greift in den oberen Zahnkranz von (3) ein
  3. Stundenrad (darüber liegt das 24h-Rad)
  4. Zwischenrad
    Berührt 1 bei ganz gezogener Krone nicht, sonst schon
  5. Verbindungsrad für Datum-Mitnehmerrad (liegt eine Ebene höher)
  6. Weiteres Zwischenrad
    Greift in den unteren Zahnkranz des Stundenrades (3) ein
  7. Wechselrad für 24 h-Stundenrad

Normales Zeitstellen (Krone ganz gezogen):

Und so funktioniert es:

Das Zeigerstellrad 1 dreht das Wechselrad 2 und dessen Trieb wiederum den oberen Zahnkranz des Stundenrades 3. Die Räder 1 und 4 berühren sich nicht. Über das Wechselrad 7 läuft der 24 h-Zeiger beim Stellen synchron mit. Der untere Zahnkranz des Stundenrades 3 nimmt die Räder 6 und 5 mit, damit das Datum entsprechend schaltet. Das Rad 4 dreht einfach frei mit.
Hier werden also der Stundenzeiger und der 24 h-Zeiger gemeinsam so eingestellt, dass sie stets denselben Zeitabstand voneinander behalten, falls vorher über die GMT-Funktion ein solcher eingestellt wurde. Die GMT-Funktion (Stundensprünge) selbst spielt hier beim Einstellen keine Rolle!

Zeitzone einstellen (mittlere Kronenposition) / GMT-Funktion:

Und so funktioniert es:

Das Zeigerstellrad 1 hat keinen Kontakt zum Wechselrad 2, aber zum Zwischenrad 4. Über die Räder 5 und 6 dreht es den unteren Zahnkranz des Stundenrades 3, der den Stundenzeiger wegen der Klinke nur stundenweise springen lässt. Der 24 h-Zeiger wird nicht mitgedreht, da das Wechselrad 7 in den oberen Zahnkranz von 3 eingreift, der sich hier nicht bewegt.
Über das Wechselrad 5 wird auch das Datum vor- bzw. zurückgeschaltet.
Damit kann das Datum auch halbschnell verstellt werden, da es keine extra Schnellverstellung dafür gibt!

Die Umsetzung einer echten GMT-Funktion ist also technisch gar nicht so aufwendig! Umso erstaunlicher, dass viele Uhrenmarken eine echte GMT-Funktion nur bei hochpreisigen Modellen anbieten, wenn überhaupt. Andererseits ist der Kundenkreis, der Interesse an einer GMT-Funktion hat, vermutlich auch überschaubar.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert