Vor einiger Zeit habe ich im Artikel System Glashütte – Was ist das? erläutert, woher der Begriff System Glashütte stammt und wieso er mehr mit der Schweiz als mit Glashütte zu tun hat. Naturgemäß hatten die Schweizer Hersteller von Uhrwerken, die suggerieren sollten aus Glashütte zu sein, meist kein Interesse daran, ihren Firmennamen auf diesen Werken zu hinterlassen. Entsprechend schwierig ist es in einigen Fällen, den Hersteller oder eine genaue Kaliberbezeichnung ausfindig zu machen.

In diesem Fall half das Eidgenössische Amt für geistiges Eigentum durch die Publikation der Abbildungen der Uhrwerkmodelle, die im Schweizerischen Handelsamtsblatt zwischen 1889 und 1900 registriert wurden. Darüber habe ich hier berichtet: Das Schweizerische Handelsamtsblatt als Werksucher – Teil 2
Wir kommen gleich darauf zurück. Doch davor kann ich euch noch eine Anzeige der Firma Schwab-Loeillet in der Deutschen Uhrmacherzeitung zeigen, die belegt, dass die Bezeichnung Système Glashütte mindestens seit 1889 benutzt wurde:

Der Begriff Drei-Kaiser-Uhr in der Anzeige bezieht sich übrigens darauf, dass es 1888 aufgrund von Todesfällen innerhalb von nur vier Monaten drei Deutsche Kaiser gab.
Nun also zu den Uhrwerken!
Hahn Modell Nr. 19
Los geht es mit einem Werk von Charles Hahn, das er 1893 als Modell Nr. 19 im Schweizerischen Handelsamtsblatt registriert hat:


Das Werk hat einen Durchmesser von 20´´´ (Französische Linien), einen Kronenaufzug mit Hebel, 16 Steine, einer davon in einem verschraubten Chaton, eine Bimetall-Schraubenunruh mit Breguet-Spirale sowie eine Schwanenhals-Feinregulierung. In der Abbildung zur Registrierung hat das Modell Nr. 19 eine etwas andere Feinregulierung am Unruhkloben.
Dieses Werk ist das älteste im Schweizerischen Handelsamtsblatt registrierte Modell, das eindeutig der Bauweise „System Glashütte“ zugeordnet werden kann.
Etwa 30 Jahre später benennt Charles Hahn übrigens seine Firma um und gibt ihr den Namen ihres Gründungsortes Landeron. Sie ist weltweit für ihre Chronographenwerke bekannt.
FHF Modell Nr. 245
Weiter geht es mit dem Hersteller, dessen System Glashütte-Werke am häufigsten anzutreffen sind, der Fabrique d’Horlogerie de Fontainemelon (FHF). Diese hat am 14.08.1897 das Modell Nr. 245 registriert:

Es hat keine echte Dreiviertelplatine, sondern eine getrennte Federhausbrücke, die aber sehr eng an der Räderwerkbrücke anliegt.
Das FHF Modell Nr. 245 gibt es in verschiedenen Typen, die ich euch hier vorstelle. Diese Typen unterscheiden sich in der Art, wie die Zeiger gestellt werden, im Vorhandensein einer Zeigerwerkbrücke und in der Anzahl der Zeigerstellräder:

grün: mit Zeigerwerkbrücke rechts, ohne links

Die Werke, die mir bisher vorliegen, haben einen Durchmesser von 19´´´, 20´´´ oder 21´´´, ggf. existieren noch weitere. Sie haben eine Schweizer Ankerhemmung, eine Bimetall-Schraubenunruh mit Breguet-Spirale, eine kleine Sekunde und 15 oder 16 Steine. Einige haben auch verdeckte Ankerpaletten oder eine Schwanenhals-Feinregulierung.
Interessanterweise scheint es von diesem Werk nur die Savonnette-Variante zu geben, zumindest ist mir noch kein Lépine-Werk begegnet.
FHF Modell Nr. 245 Typ 1
- Zeigerstellen mit Krone und Hebel oder Krone und Drücker
- Ohne Zeigerwerkbrücke
- Ein Zeigerstellrad

FHF Modell Nr. 245 Typ 2
- Zeigerstellen mit Krone und Hebel
- Mit Zeigerwerkbrücke
- Ein Zeigerstellrad

FHF Modell Nr. 245 Typ 3
- Zeigerstellen durch Ziehen der Krone
- Mit Zeigerwerkbrücke
- Ein Zeigerstellrad

Dieses Werk trägt auf der Zifferblattseite die Schweizer Patentnummer 51482. Dieses Patent von FHF von 1910 beschreibt den Aufzugs- und Zeigerstellmechanismus ohne Hebel bzw. Drücker. Das Modell 245 wurde also über mehr als 20 Jahre mit kleinen Änderungen produziert.

FHF Modell Nr. 245 Typ 4
- Zeigerstellen durch Ziehen der Krone
- Ohne Zeigerwerkbrücke
- Zwei Zeigerstellräder

Kurz vor dem Modell 245 hat die FHF am 19.07.1897 auch ein Modell Nr. 244 registrieren lassen, das man ebenfalls der Bauweise „System Glashütte“ zuordnen kann:

Zu diesem Modell ist mir bisher aber noch kein echtes Werk begegnet.
Kocher, Hänni & Künzli Modell Nr. 18
Die Herren Kocher, Hänni und Künzli haben dieses Werk 1894 im Schweizerischen Handelsamtsblatt als Modell Nr. 18 registriert. Kunzli ist im SHAB falsch geschrieben, der Herr hieß tatsächlich Künzli.


Das Werk hat einen Durchmesser von 19´´´, einen Kronenaufzug mit Hebel, 16 Steine, einer davon in einem verschraubten Chaton, und eine Bimetall-Schraubenunruh. Es hat, wie die oben gezeigten Werke von FHF keine echte Dreiviertelplatine, sondern eine getrennte Federhausbrücke.
Dieses Werk ist auch auf einer Anzeige von Hänni & Cie von 1903 abgebildet, die ich im ersten Teil zum System Glashütte gezeigt habe. Die Firma Kocher, Hänni & Künzli wurde 1892 gegründet, 1895 in Hänni, Künzli & Cie umbenannt und 1897 dann in Hänni & Cie.