Ein Uhrwerk aus dem Gehäuse ausbauen

Ich möchte demnächst hier zeigen, wie man ein Uhrwerk zerlegt und wieder zusammenbaut. Nun kommen die meisten Übungsobjekte aber in einem Gehäuse daher, das Werk muss also zuerst ausgebaut werden.

Deshalb zeige ich hier zuerst mal an einem einfachen Beispiel, wie man ein Werk aus dem Gehäuse auszubaut. Der Fachmann nennt das auch Ausschalen.

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Schritt 1: Öffnen des Gehäuses

Der erste Schritt besteht darin, das Gehäuse zu öffnen, um an das Werk zu kommen. Grundsätzlich gibt es zwei gängige Varianten:

  1. Der Boden muss geöffnet werden, um das Werk nach hinten entnehmen zu können
  2. Zuerst muss das Glas entfernt werden, um das Werk dann nach vorne entnehmen zu können

Ich bleibe hier mal bei der einfacheren Variante 1, also dem Öffnen des Bodens. Bei Variante 2 gibt es nämlich ein paar gemeine Ausprägungen, an die man sich erst wagen sollte, wenn man etwas Erfahrung hat. Für Interessierte hier nur zwei Stichworte dazu: Monocoque-Gehäuse, Reißkrone.

Okay, bei Uhrenböden gibt es auch wieder ein paar verschiedene Spielarten:

  • Gedrückte Böden, die mit einem solchen Uhrenmesser geöffnet werden:

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  • Geschraubte Böden mit Vertiefungen, für die man einen Zwei- oder Dreipunktöffner benötigt:

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Wenn der Boden nicht zu fest verschraubt ist, kann man ihn häufig auch mit einem solchen Ball öffnen:

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Klingt komisch, funktioniert aber häufig ganz prima und hinterlässt keinerlei Kratzspuren!

Für die ganz hartnäckigen Fälle gibt es auch noch das große Gerät:

Werk_ausschalen_02c Und dann gibt es noch…

  • Verschraubte Böden, die von Schrauben gehalten werden
    Hier genügt im Idealfall ein normaler Uhrmacher-Schraubenzieher zum Öffnen. Die ganz oben abgebildete Uhr ist genau so ein Fall. Und bei dieser Variante machen wir jetzt weiter.

Also raus mit den Schrauben und den Deckel abnehmen. Aber langsam und vorsichtig, beim Abrutschen können hässliche Kratzer auf dem Gehäuse entstehen!

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Schritt 2: Briden oder Werkhalteschrauben lösen

Häufig sind am Werk zwei kleine Laschen, die Briden, festgeschraubt, die das Werk im Gehäuse halten (oben im Bild rot markiert). So sieht das aus der Nähe aus:

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Bei einigen Werken fehlen die Briden. Stattdessen gibt es etwas größere Schrauben, die Werkhalteschrauben, die das Werk im Gehäuse halten. Und es gibt auch Konstruktionen, die ohne Schrauben auskommen, um das Werk zu halten.

Hier sind die Briden nun entfernt. Die gebogene Seite der Briden zeigt übrigens beim Einbau des Werkes nach unten.

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Schritt 3: Aufzugswelle mit Krone und den Werkhaltering entfernen

An der im vorherigen Bild rot markierten Stelle befindet sich die Winkelhebelschraube. Löst man diese, lässt sich die Aufzugswelle, an der die Krone befestigt ist, herausziehen.

Es gibt auch Werke, die statt einer Winkelhebelschraube einen kleinen Drücker, den Winkelhebeldrücker, haben.

Achtung:
Nur so weit mit dem Schraubenzieher lösen, dass sich die Welle gerade ziehen lässt. Eine Umdrehung der Schraube reicht meist aus. Oft hilft es auch, beim Ziehen die Schraube mit dem Schraubenzieher leicht nach unten zu drücken. Dreht man zu weit, schraubt man den auf der Zifferblattseite liegenden Winkelhebel komplett ab. Das lässt sich dann nur beheben, wenn man die Zeiger und das Zifferblatt abnimmt. Bei vielen Werken ist es daher vorteilhaft, die Aufzusgwelle vor dem Lösen zu ziehen, also in die Position „Zeiger stellen“ zu bringen.

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An der im nächsten Bild rot markierten Stelle befindet sich ein Werkhaltering, der mit der Pinzette entnommen werden kann. Es gibt auch Gehäuse, die ohne Werkhaltering auskommen.

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Schritt 4: Werk entnehmen

Das Werk kann nun einfach nach hinten entnommen werden. Das Werk und das Zifferblatt nur an der Seite anfassen, Fingerabdrücke hinterlassen hässliche Flecken!

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Die Aufzugswelle kann nun wieder eingesetzt und verschraubt werden, sie kann aber natürlich auch draußen bleiben.

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Schritt 5: Zeiger abnehmen

Hier unbedingt einen Zifferblattschutz benutzen. Dazu reicht eine feste Kunststoff-Folie oder ein festeres Papier, es muss nicht die Profiversion sein.

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Zum Abnehmen der Zeiger gibt es verschiedene Werkzeuge für verschiedene Einsatzwecke. Die rote Gabel eignet sich prima, um kleine Sekundenzeiger abzunehmen. Das zweiteiligen Hebelwerkzeug benutzt man für die größeren Zeiger, sie erfordern aber etwas Übung im Umgang.

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Die sogennten Presto-Werkzeuge (Bild unten) gibt es in vielen Ausführungen. Das linke im Bild dient dazu, Zentralsekundenzeiger abzunehmen, das rechte ist für die größeren Zeiger gedacht. Die Kunststoffbacken an den Seiten sollen ein Verkratzen des Zifferblattes verhindern. Ich lege trotzdem immer einen Zifferblattschutz unter…

Werk_ausschalen_12Hier sind die Zeiger nun abgenommen (S = kleine Sekunde, M = Minutenzeiger, H = Stundenzeiger):

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Schritt 6: Zifferblatt abheben

Nun muss noch das Zifferblatt entfernt werden. Dieses hat meist zwei Zifferblattfüße, die am Werk eingklemmt werden. Das Einklemmen erledigen bei diesem Werk zwei sogenannte Zuckerhutschrauben an den rot markierten Stellen:

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Diese Zuckerhutschrauben sind absichtlich an einer Seite angeschnitten:

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Die Schrauben werden nun mit dem Schraubenzieher so gedreht, dass die angeschnittene Seite genau beim Zifferblattfuß steht. Hier kann eine Uhrmacherlupe hilfreich sein!

Häufig sind auch die folgenden Möglichkeiten der Zifferblattbefestigung anzutreffen:

Schrauben an der Seite des Werkes:

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Drehbare Klammern (etwa beim bekannten ETA 2824-2):

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Schritt 7: Kleinteile sicher

Das Zifferblatt kann nun abgenommen werden (nur an der Seite anfassen!).

An der im nächsten Bild rot markierten Stelle schaut die dünne Achse heraus, die den kleinen Sekundenzeiger trägt. Passen Sie auf, dass Sie diese nicht versehentlich abbrechen!

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In der Mitte des Werkes liegen zwei Teile lose auf, gehen also leicht verloren: Stundenrad und Flitter

Das Stundenrad ist das silberfarben Rad, der Flitter die dünne goldfarbene Scheibe. Der Flitter hält bei aufgelegtem Zifferblatt das Stundenrad in Position. Er wird so aufgelegt, dass die Wölbung am Rand nach oben zeigt (siehe die gelbe Kurve).

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Fertig, nun kann es ans Zerlegen des Werkes gehen!

19 Gedanken zu „Ein Uhrwerk aus dem Gehäuse ausbauen“

  1. Uhrenglas entfernen

    Ich habe 2x (Skagen Signature und eine Fossil) das Problem das ich ein Uhrenglas nicht ausbauen kann.
    Uhrendeckel und Welle konnten problemlos entfernt werden.
    Nun liegt das Uhrwerk/Ziffernblatt auf den inneren Rand der Armbanduhr auf und lässt sich nicht entnehmen.
    Gibt es hier einen Trick oder muss ich mich dem Ganzen von der anderen Außenseite nähern? Nur wie entferne ich dann schonend das gesprungen Uhrenglas oder die losen Stundenstriche wieder aufsetze ohne das Ziffernblatt/ die Uhr zu beschädigen?

    Wäre für jede Hilfe dankbar.

    1. Hallo,

      ich kenne leider keine der Uhren. Wenn die Uhr ein Plexiglas hat, kommt es häufig vor, dass man zuerst das Glas mit einer speziellen „Kralle“ abheben muss, um dann das Werk noch vorne zu entnehmen. Bei Mineralglas oder Saphirglas wird das Werk meist nach hinten entnommen.
      Wenn die Welle und auch die Werkhalteschrauben entfernt sind, sitzt häufig der Werkhaltering rechts fest, sodass man diesen zuerst nach hinten heraushebeln muss.
      Bei Modeuhren würde ich auch nicht ausschließen, dass diese so gebaut sind, dass man einige Teile gar nicht wechseln kann…

  2. Hallo, könnte mir jemand helfen.
    Ich suche vergeblich für eine Adidas Quarz Armbanduhr ADP1783 eine Welle, habe die mit der Krone verloren, oder wie erkennt man was für eine Welle da hinein passt. Ich finde im ganzen Internet keine Antworten.
    Wäre mir eine große Hilfe wenn sie mir helfen könnten

    1. Hallo Werner,

      die Aufzugwelle muss zum Uhrwerk passen. Du musst also herausfinden, welches Werk in deiner Uhr steckt. Im Zweifel aufmachen und schauen, ob das Werk beschriftet ist und sich damit das Werk identifizieren lässt. Andernfalls Bilder in einem Uhrforum einstellen und hoffen, dass jemand das Werk erkennt.
      Mit viel Glück findest du vielleicht auch in ebay o. ä. eine defekte ADP1783 mit vorhandener Welle…

  3. Hallo Herr Kelz,
    vielen Dank für die ausführliche Beschreibung. Ich denke mit Ihren Tipps, kann ich mir eine hübsche Summe für einen Uhrmacher sparen.
    Ganz toll.

    Mit freundlichem Gruß

    Uwe Bessler

  4. Hallo, bei meiner Certina DS ist der 7 -Index abgefallen. Um ihn zu fixieren möchte ich das Werk ausschalen. Ich habe die Anleitung gelesen und auch die Briden identifiziert. Eine Winkelhebelschraube sehe ich aber nicht und so weiss ich nicht, wie ich die Welle ausbauen soll.
    Hätte jemand einen Tip für mich?

    1. Hallo,

      Bilder kann man hier leider nicht hochladen, aber ggf. ein Link zu einem irgendwo gehosteten Bild hier einfügen.
      Wenn die Certina ein Powermatic-Werk hat, sollte es neben der Aufzugswelle eine kleine längliche Vertiefung mit einem Druckknopf geben. Knopf drücken und gleichzeitig an der Krone ziehen.

  5. Hallo und Vielen Dank für diese sehr gute Anleitung.

    Ich versuche gerade eine Zeppelin 7060 mit Miyota 9100 auszuschalen um das Hesalitglas von innen zu reinigen (u. evtl. auch den daran schleifenden Sekundenzeiger zu richten). Briden + Krone entfernt, allerdings gibt es keinen Werkhaltering, Werk lässt sich nicht zur Rückseite entfernen, abner es lässt sich drehen und um 180° versetzt sind Schrauben (Zuckerhut?) angeordnet, die nochmals gesichert zu sein scheinen (oder Füße des ZB).
    Kann es sein, dass alles von der Glasseite ZB eingesetzt wurde?

    Grüße Dennis

    1. Ich kenne die Uhr leider nicht, aber es ist in der Tat gut möglich, dass das ZB nur nach vorne entnommen werden kann. In diesem Fall muss zuerst das Plexiglas abgenommen werden.

  6. Die Uhr meiner Frau, eine Tissot PR50, ist runtergefallen (Fliesenfußboden). Gehäuse und Werk sind heil, aber mehrere Zahlen vom Ziffenrblatt haben sich gelöst und fliegen nun lose im Gehäuse herum. Womit kann ich sie wieder ankleben? Sekundenkleber?

    Schöne Anleitung übrigens! Danke.

    1. Ich würde Zweikomponenten-Kleber benutzen. Der ist etwas zähflüssiger und lässt sich eine Weile verarbeiten. Auf jeden Fall vor dem Einbau gut trocknen lassen, da sich sonst ggf. Lösungsmitteldämpfe innen auf dem Glas niederschlagen können.

      1. Danke für die schnelle Antwort. Mit Zweikomponenten-Kleber kann ich mir das noch nicht so recht vorstellen. Die Zahlen sind so winzig, gerade mal 2mm hoch und das Zeug ist doch recht zäh. Kann man das denn wirklich so dünn auftragen, dass man hinterher nichts mehr sieht? Sollte ich zum Aufnehmen und Positionieren der Zahlen Rodico verwenden?

        1. Ja, das geht, bei einer Uhr sind 2 mm schon groß :)! Ich nehme dazu Zahnstocher und eine Pinzette. Ein winziger Tropfen genügt. Bei Rodico besteht immer die Gefahr, dass die Zahl mit dem Kleber auf das Zifferblatt fällt.

  7. Moin. Kurzbeschreibung des Problems. Patient Omega Speedmaster prof. PreMoon Bj. 69 ca. weil nur das Seepferdchen hinten drauf ist. Versuch des Stellens endete so, das ich auf einmal die Krone samt Welle….beides unbeschädigt….zwischen meinen Fingern hatte. Teure Rep. oder Bastelnachmittag ??? Wenn da jemand helfen könnte….das wär klasse. Vielen Dank von der Ostsee

  8. Hallo
    und herzlichen Dank !
    Sie haben mir bei meinem Problem mit der Stellkrone easy leicht geholfen.
    Das Internet besteht nicht nur aus Sex und Spinnern !
    Gottseidank gibt es Menschen wie sie.

    Hochachtungsvoll Frank Richter

  9. Hallo,
    dies ist eine wunderbare Anleitung. Leider hilft sie mir nicht bei meinem Vorhaben den Akku an einer Jacques Lemans Chronograph Alarm Future zu wechseln. Die Uhr hat ein Miyota 0W50 Uhrwerk.
    Nach Entfernen des Gehäusebodens sieht man, dass das gesamte Werk samt Akku mit einer verschraubten Platte abgedeckt ist. Wenn man die 3 Halteschrauben abschraubt, gaht die Platte aber immer noch nicht ab. Warum nicht? Weiß da jemand Rat?
    mfg

  10. Feder bei Schaltrad-Chrono defekt. Reparatur soll mehr als 400€ kosten. Wie schale ich ein solches Werk aus, um an das Federhaus heran zu kommen?

    1. Hallo Ulrich,

      im Prinzip geht das, wie bei dem hier gezeigten Uhrwerk, also:
      – Boden öffnen
      – Werkhalteschrauben und ggf. Werkhaltering entfernen
      – Krone mit Aufzugswellen entnehmen
      – Werk nach hinten herausnehmen

      ABER:
      Bei den meisten Chronographen kommt man nicht so leicht an die Zugfeder, da die Chronographen-Schaltung zuerst abgebaut werden muss. Hier bekommst du einen Eindruck, wie das aussieht, wenn man den Boden geöffnet hat: https://watch-movements.eu/blog/2017/09/12/das-chronographenwerk-poljot-3133/

      Auch das Entfernen des zentralen Chrono-Sekundenzeigers erfordert Übung und in vielen Fällen einen Ersatzzeiger, da beim Abnehmen gerne das Zeigerfutter abreißt.

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