Sparuhren und Sparwecker sind historisch interessante Erscheinungen, die mit der Weltwirtschaftskrise gegen Ende der 1920er-Jahre aufkamen. Sie wurden bis in die 1960er von Versicherungen und Banken an ihre Kunden ausgegeben, um diesen das Ansparen der Versicherungsprämien bzw. von Sparguthaben zu erleichtern. Die Uhr konnte nur dann aufgezogen werden, wenn man ein Geldstück einwarf. Das verschlossene Geldfach wurde dann regelmäßig bei der Bank oder vom Versicherungsvertreter geleert.
Sparuhren hatten häufig auch eine Weckfunktion, um an den täglichen Geldeinwurf zu erinnern, daher werden diese Uhren auch Sparwecker genannt.
Irgendwo auf der Sparuhr war meist eine Plakette der jeweiligen Versicherung bzw. Bank angebracht. Hier eine kleine Auswahl:
Die Uhren blieben meist für einige Jahre im Besitz der Versicherung bzw. Bank. Erst danach konnte der Kunde frei über diese verfügen. Was dazu führte, dass die meisten Sparuhren, die auf dem Markt auftauchen, mindestens einen der drei folgenden Mängel haben:
- Der Schlüssel für das Geldfach fehlt
Dies ist fast immer der Fall, da der Kunde ja selbst keinen Schlüssel für die Sparuhr hatte. - Das Geldfach ist aufgebrochen oder fehlt ganz.
- Der Mechanismus zum Sperren des Aufzugs ohne Geldeinwurf wurde entfernt.
Beispiele für Hersteller von Sparuhren:
- Zenith, Schweiz
- L. Schwab (Swiza), Schweiz
- IMHOF, Schweiz
- Amora (Cervine S. A.), Schweiz
- Goldbühl (Fichter K. G.), Deutschland
- Hamburg-Amerikanische Uhrenfabrik (H. A. U.), Deutschland
- Schuler (GLOBUS), Deutschland
- Emes, Deutschland
- JGEHA (Johann-Georg Hinkel), Deutschland
- Mühlheim (Müller & Co.), Deutschland
- H. K. S. (Hermann Kuhn & Söhne), Deutschland
- La Pendastrava, Frankreich
Von der französischen Versicherungsgesellschaft Le Travail (die Arbeit) herausgegeben. Eigentlicher Hersteller nicht bekannt. - Time Savings Clock Company Ltd., Großbritannien
- ELLIS, Holland
Die Uhrmacher waren nicht begeistert davon, dass Versicherungen und Banken Uhren an ihre Kunden verteilten, da diese Kunden dann vermeintlich keine Uhr beim Uhrmacher mehr kauften, aber gerne dessen Service bei Reparaturen in Anspruch nahmen. Der folgende Artikel erschien 1928 in der Uhrmacherwoche:
Das älteste Patent, das ich von einer Sparuhr finden konnte, trägt den Titel Coin Controlled Clock and Money Box und wurde 1904 in den USA L. F. Kleeman zugesprochen:
Wir wollen uns hier nun an einigen Beispielen den jeweiligen Mechanismus ansehen, der dazu führt, dass ein Aufzug des Werkes nur nach Einwurf eines Geldstückes ermöglicht:
- Sparwecker der Marke Goldbühl von Fichter aus Villingen
- Sparwecker der Marke GLOBUS von C. Schuler aus Schwenningen
- Sparwecker von L. Schwab aus Moutier (Schweiz)
- Sparuhr von Amora aus La Chaux-de-Fonds (Schweiz)
A. Sparwecker der Marke Goldbühl von Fichter aus Villingen
Eine Sparuhr mit Weckfunktion, deren Zifferblatt mit der Marke Goldbühl der Fichter KG aus Villingen in Deutschland signiert ist.
Es ist bei Sparuhren immer wieder spannend herauszufinden, wie man diese öffnen kann, um an das Werk heranzukommen. Dem Benutzer sollte es ja möglichst schwer gemacht werden, den Mechanismus der Uhr zu manipulieren. Der Schlüssel zum Öffnen der Uhr liegt im wahrsten Sinne beim Schlüssel, nämlich beim Schlüssel zum Öffnen des Geldfaches der Uhr.
Hat man bei dieser Uhr das Geldfach geöffnet, sieht man einen kleinen schwarzen Sprengring. Entfernt man diesen, kann man die Rückwand der Uhr in Richtung des geöffneten Sparfaches schieben und so abnehmen. Natürlich erst, wenn man die Knöpfe und Bügel auf der Rückseite entfernt hat. Diese können alle herausgedreht oder einfach abgezogen werden. Der Knopf zum Öffnen des Geldeinwurfs kann bleiben, wo er ist.
Hinter der Rückwand sieht man den Schlitz für den Münzeinwurf und das Weckerwerk.
Die runde Abdeckung des Werkes ist die Glocke, gegen die der Hammer des Weckers schlägt. Diese kann einfach abgeschraubt werden. Das Werk kann aber nur entnommen werden, wenn man dann am viereckigen Rand der Zifferblatthalterung vier Lamellen seitlich zusammendrückt (zwei davon sind im nächsten Bild rot markiert).
Das Werk ist ein Goldbühl B, das im Flume Großuhr-Schlüssel G2 abgebildet ist:
Ein einfaches Werk mit einer Laufzeit von einem Tag, einer Stiftankerhemmung, ohne Lagersteine und mit einer Unruh mit Körnerlager.
Der Teil des Werkes, der für das Sperren des Aufzugs ohne Geldeinwurf verantwortlich ist, ist links oben im vorletzten Bild zu sehen. Die Seitenansicht im nächsten Bild zeigt links die Gabel, auf die das eingeworfene Geldstück fällt und diese zur Seite drückt.
Nach dem Entfernen der runden schwarzen Metallplatte sieht man, wie in der halbrunden Verlängerung dieser Gabel ein Zahn in ein Sperrrad der Aufzugsfeder eingreift und so den Aufzug blockiert. Dieses Sperrrad hat nichts mit dem normalen Sperrrad eines Uhrwerkes zu tun, welches dazu dient, beim Aufzug das Zurückdrehen der Feder zu verhindern. Das normale Sperrrad ist hier auf dem Bild nicht zu sehen, da es sich zwischen den zwei Werkplatinen befindet. Dieses Sperrrad hier dient einfach dazu, den Aufzug zu verhindern.
Wirf man nun ein Geldstück ein, wird die Gabel zur Seite gedrückt und das Sperrrad freigegeben. Damit kann die Feder aufgezogen werden (gegen den Uhrzeigersinn). Dabei ist es dem Werk völlig egal, welches Geldstück eingeworfen wird, solange es ein gewisses Mindestgewicht hat und nicht an der Gabel hängen bleibt.
Statt des Zahns, der bisher das Sperrrad blockiert hat, greift nun ein Zahn weiter unten in der halbrunden Verlängerung der Gabel in das Sperrrad. Dieser Zahn sperrt aber nicht, sondern verhindert nur, dass die Gabel durch die am oberen Rand angehängt Feder sofort wieder in die Ausgangsposition gezogen wird und damit der Aufzug sofort wieder gesperrt wird. So bleibt genug Zeit, die Zugfeder ganz aufzuziehen.
Wenn die Uhr nun läuft und sich die Zugfeder wieder entspannt, dreht sich das Sperrrad im Bild langsam nach links. Der Zahn im Sperrrad rutsch dabei immer weiter nach links, sodass irgendwann der weiter oben liegende Zahn wieder in das Sperrrad greift und den Aufzug blockiert. Vom Aufziehen bis zum erneuten Blockieren dauert es etwa eineinhalb Stunden. Folgende animierte Grafik zeigt den Vorgang:
Neben dem Sperrrad ist übrigens eine Punze 1.58 zu sehen. Dies dürfte für den Monat oder das Quartal sowie das Jahr der Herstellung stehen, also Januar oder 1. Quartal 1958.
B. Sparwecker der Marke GLOBUS von C. Schuler aus Schwenningen
Um die Rückwand der Uhr zu entfernen, muss das Geldfach mit dem Schlüssel geöffnet und alle Bedienelemente auf der Rückseite entfernt werden. In diesem Fall auch der Knopf zum Öffnen des Geldeinwurfs.
Die Rückwand kann dann ein kleines Stück nach unten geschoben und anschließend nach hinten entfernt werden:
Darunter kommt eine zweite Rückwand zum Vorschein, die durch Entfernen der rot markierten Schrauben nach hinten gezogen werden kann.
Vorsicht: am rechten Rand greift die Gabel, die beim Einwurf eines Geldstücks die Aufzugssperre freigibt, in diese zweite Rückwand. Sie muss durch den rautenförmigen Ausschnitt beim Abziehen der Rückwand etwas nach links gedrückt werden, um nicht zu verbiegen!
Darunter kommt dann das Werk zum Vorschein:
Ähnlich wie beim oben gezeigten Werk gibt es hier eine Gabel, die vom Geldstück bewegt wird und einen Mechanismus, der den Aufzug blockiert. Von der Seite sieht man die Gabel etwas besser:
Das Weckerwerk ist ein Schuler 5, das im Flume Großuhr-Schlüssel G1 abgebildet ist. Auch hier ein einfaches Werk mit einer Laufzeit von einem Tag, einer Stiftankerhemmung, ohne Lagersteine und mit einer Unruh mit Körnerlager.
Der Sperrmechanismus funktioniert ähnlich wie schon oben gezeigt. Die folgende Animation zeigt, wie die Sperrklinke etwa eineinhalb bis zwei Stunden nach dem Geldeinwurf und dem Aufziehen den Aufzug wieder blockiert.
Verdeckt unter der Befestigung der Glocke befindet sich die Punze II/33. Dies dürfte für das Quartal sowie das Jahr der Herstellung stehen, also 1. Quartal 1933. Ich habe ein zweites identisches Werk, das mit II/36 punziert ist. Diese Sparuhr hier ist also etwa 25 Jahre älter als die oben gezeigte von Goldbühl.
C. Sparwecker von L. Schwab aus Moutier (Schweiz)
Dieses Exemplar ist deutlich massiver gebaut als die zwei bisher gezeigten Sparuhren. Es stammt von L. Schwab aus Moutier in der Schweiz. Leider hat es alle der oben erwähnten Mängel einer Sparuhr: der Schlüssel fehlt und das Geldfach sowie der Sperrmechanismus wurden (teilweise) entfernt. So sollte der Boden bei einer vollständigen Uhr aussehen:
Bei dieser Sparuhr wurde ein besonders „gemeiner“ Mechanismus implementiert, der verhindern sollte, dass der Kunde die Rückwand und den Sperrmechanismus entfernt. Eine der zwei unteren Rückwandschrauben hat im Gewinde ein Loch, welches bei geöffnetem Geldfach von unten durch eine Öffnung zugängig ist.
Vermutlich wurde hier ein Bleiplombe angebracht, die verhindert, dass die Schraube herausgedreht werden kann.
Sollte dies dem Kunden mit Gewalt doch gelingen oder dieser einen Schlüssel besitzen, wird die Zerstörung der Verplombung beim nächsten Öffnen des Geldfachs durch den Versicherungsvertreter auf jeden Fall entdeckt. Der Kunde konnte wohl kaum selbst eine neue Plombe anbringen, da Plomben typischerweise mit einer Spezialzange angebracht werden, die einen charakteristischen Abdruck hinterlässt, z. B. ein Logo der Versicherung.
Wenig überraschend ist auch hier am linken Rand wieder eine Gabel zu erkennen, die das eingeworfene Geldstück zur Seite drücken muss. Vor dem Geldeinwurf blockiert eine Verlängerung der Gabel eine Art Knopf (rot markiert, grün der Geldeinwurf). Dies verhindert, dass die Zugfeder aufgezogen werden kann.
Hat das Geldstück die Gabel passiert, liegt der Knopf frei, die Feder kann nun aufgezogen werden:
Entfernt man die Glocke, sieht man, wozu der besagte Knopf gehört: zu einer Sperrklinke. Also keine große Überraschung.
Der interessante Teil des Sperrmechanismus fehlt hier aber leider, nämlich der, der nach einiger Zeit dafür sorgt, dass die Gabel wieder in Ausgangsposition gelangt und der Aufzug erneut blockiert wird. Ich konnte bisher weder ein Bild dieses Mechanismus finden noch selbst herausfinden, wie er funktionieren könnte. Sollte also einer meiner Leser ein identisches Werk mit funktionierendem Mechanismus haben, würde ich mich sehr über ein Bild davon freuen!
Das Werk ist ein Swiza 50, ein Weckerwerk mit einem Tag Laufzeit, einer Steinankerhemmung und 12 Steinen. Also deutlich höherwertiger als die zwei oben gezeigten Werke. Swiza war eine Marke von L. Moutier. Über die Entstehungszeit des Werkes gibt die Punzierung 7.55 Auskunft, was auf den Juli 1955 schließen lässt.
D. Sparuhr von Amora aus La Chaux-de-Fonds (Schweiz)
Amora war eine Marke der Cervine S. A. aus La Chaux-de-Fonds in der Schweiz.
Hier handelt es sich um eine Sparuhr ohne Weckfunktion, die vermutlich aus den 1960ern stammt. Das gesamte Gehäuse ist aus Kunststoff gefertigt. Auf der Oberseite befindet sich der Geldeinwurf, nach dem das Uhrwerk erneut aufgezogen werden kann. Am unteren Rand der Rückseite ist ein zweiter Schlitz für den Geldeinwurf zu sehen. Das hier eingeworfene Geld fällt sofort in das Geldfach, ohne einen Einfluss auf den Aufzug zu haben.
Auf der Rückseite hat sich auch der Herausgeber der Sparuhr verewigt, die Dänische Sparkassengesellschaft (Dansk Spare-Selskab).
Das Geldfach befindet sich im Boden. Es benötigt keinen Schlüssel, sondern wurde an der rot markierten Stelle mit einer Plombe versiegelt:
Das Gehäuse wurde vom Schweizer Kunststoffhersteller RIWISA gefertigt. Die einzelnen Teile sind so ineinandergesteckt, dass ein Öffnen des Gehäuse nur bei entfernter Plombe möglich ist!
Nach dem Entfernen der Rückwand sieht man den Weg, den das eingeworfene Geldstück nimmt. Es fällt zunächst über ein schwarzen Hebel, der zum Uhrwerk gehört und die Aufzugssperre löst, danach in das Geldfach im Boden.
Das Werk ist von beiden Seiten recht unspektakulär. Auffallend sind der schwarze Hebel und ein großes schwarzes Rad, das übersteht.
Es handelt sich um ein 8 Tage-Werk mit Stiftanker und sieben Steinen, das vermutlich vom Schweizer Hersteller Swiza stammt. Die Form der Platinen und die Abstände sind identisch zum Swiza 8. Das Swiza 8 hat allerdings auch eine Weckfunktion und es fehlt dort natürlich der Mechanismus für die Aufzugssperre.
Der interessante Teil des Mechanismus befindet sich unter der Rückseite des Werkes:
Das schwarze Rad greift direkt in ein kleines Rad, das auf dem Federhauskern befestigt ist. Der Schlüssel zum Aufziehen sitzt auf dem Federhauskern. Beim Aufzug wird dieser nach links gedreht, entsprechend dreht sich das schwarze Rad nach rechts. Auf dem schwarzen Rad sieht man eine Art „Flügelrad“ mit vier Zacken und einer Feder in der Mitte. Wäre dieses mit dem schwarzen Rad fest verbunden, könnte sich das schwarze Rad beim Aufzug nicht drehen, da das Flügelrad durch den Eingriff des Hebels blockiert wird.
Der Trick besteht darin, dass diese zwei Räder nicht fest miteinander verbunden sind, dafür aber jeweils auf ihrer Unterseite jeweils einen Bolzen haben:
In der gezeigten Position ist das Werk aufgezogen und der Hebel greift in das Flügelrad ein. Die beiden Bolzen blockieren sich und verhindern so einen weiteren Aufzug des Werkes. Beim Ablaufen des Werkes dreht sich nur das Federhaus, nicht der Federhauskern. Daher dreht sich beim Ablaufen auch das schwarze Rad nicht zurück.
Fällt nun ein Geldstück auf den Hebel, gibt dieser kurz des Flügelrad frei. Aufgrund der Feder im Flügelrad dreht sich dieses um 360° nach rechts, sodass sein Bolzen nun auf der anderen Seite des Bolzens des schwarzen Rades anschlägt. Nun kann das Werk solange aufgezogen werden, bis sich das schwarze Rad um 360° gedreht hat und die Bolzen sich wieder blockieren. Beim Aufzug wird auch die Feder im Flügelrad wieder aufgezogen. Einfach, aber genial!