Ein langer Weg zum ersten greifbaren Exemplar
Erste Exemplare des neuen R150 sollten bereits Ende 2016 lieferbar sein. Es dauerte dann doch etwas länger, bis die Auslieferung im dritten Quartal 2017 wirklich startete. Seitdem war ich auf der Suche nach Uhrenherstellern, die dieses Werk verbauen.
Der erste Hersteller, den ich fand, war die amerikanische Firma Shinola, die das Werk in der Lake Erie Monster Limited Edition verbaute. Leider zu einem Preis, der nicht dafür sprach, die Uhr primär wegen des Werkes zu kaufen. Dann fand ich eine Kickstarter-Kampagne des Schweizer Modelabels EINSTOFFEN, in der das Uhrenmodell Altenalptürm mit Ronda R150 angeboten wurde. Also bestellte ich ein Exemplar. Die Enttäuschung war groß, als die zugeschickte Uhr statt eines Ronda R150 ein Sellita SW-200 enthielt. Also ging die Uhr wieder zurück. Mittlerweile hatte ich auch schon Ronda in der Schweiz und deren Vertretung in Deutschland, Ermano, angeschrieben und gefragt, ob ich irgendwo ein Exemplar kaufen oder begutachten könnte. Beide hatten keine Lust zu antworten. Auch die großen Furniturenhändler Boley und Flume konnten mir nur mitteilen, dass das Werk bei Ronda (noch) nicht lieferbar sei.
Ende März 2018 dann ein Lichtblick: ich stolperte im Netz über den ukrainischen Uhrenhersteller Kleynod. Dieser verkündete auf seiner Webseite, dass er nun alle Automatikuhren mit dem Ronda R150 ausstattet. Etwa zwei Wochen später war sie dann bei mir, die Kleynod K 348-510:
Die technischen Daten zum R150
- Durchmesser 11 1/2“‘ (26,00 mm)
- Höhe 4,40 mm
- 3 Zeiger (Zentralsekunde mit Sekundenstopp, Minute, Stunde)
- Datum (schnellschaltend bei zweiter Kronenstellung) bei 3 Uhr
- Automatik, beidseitig aufziehend, Handaufzug möglich
- Schweizer Ankerhemmung
- 25 Steine
- Unruh-Frequenz 28.800 A/h (Halbschwingungen pro Stunde)
- Incabloc-Stoßsicherung
- Hebewinkel der Unruh 51°
- Gangreserve 40 h
- Regulierung
- Mittelwert Gang 12 s/d ±12 s/d in den Lagen CH, 6H
- Max. Gangabweichung alle Lagen 30 s/d
- Isochronismus über 24 h ±20 s/d
Der erste Blick
Es geht los mit einem Blick auf die geöffnete Rückseite der Uhr:
Da ist viel Luft zwischen Werk und Gehäuserand. Relativ kleine Werke in großen Gehäusen führen zwangsweise dazu, dass das Datum nicht auf dem Außenrand des Zifferblattes liegt, sondern relativ weit innen. Hier hat es der Hersteller der Uhr aber dadurch recht gut kaschiert, dass er das Datum optisch auf einem weiter innen liegenden Kreis positioniert hat.
Durch Drücken des Winkelhebeldrückers lässt sich die Krone inklusive Aufzugswelle entfernen. So kann das Werk nach hinten aus dem Gehäuse entnommen werden:
Nach dem Abnehmen der Zeiger und des Zifferblattes liegt das Werk vor uns:
Sofort fällt auf, dass das Werk keinerlei Verzierungen, etwa eine Perlierung oder einen Streifenschliff, aufweist. Die Gravur „TWENTY-FIVE 25 JEWELS…“ auf dem Rotor wirkt recht grob und die Laserbeschriftung auf der Platine neben der Unruh ist kaum leserlich. Also eher nichts fürs Auge, sondern Technik pur.
Die Automatikeinheit
Los geht es mit dem Zerlegen des Werkes. Der kugelgelagerte Rotor wird von drei kleinen Schrauben gehalten. Darunter sieht man dann eine recht kleine Automatikbrücke, die fast so aussieht wie eine Banane. Wie bei vielen moderneren Werken, etwa dem Miyota 9015, ist hier die Automatikeinheit in die Hauptplatine integriert und nicht wie z. B. beim ETA 2824-2 als extra Modul ausgeführt.
Auf der Oberseite der Automatikbrücke ist ein Antriebsrad (goldfarben) zu sehen, das direkt vom Zahnradkranz des Rotors angetrieben wird. Es ist dort nur aufgesteckt und wir nach oben vom inneren Kranz des Rotors begrenzt. Also Vorsicht, dass das Teil nicht plötzlich verchwindet, wenn der Rotor abgeschraubt wird!
Unter der Automatikbrücke sieht es so aus:
Also fünf Räder für die Automatik, das ist schon recht viel. Zur Erklärung der Automatik habe ich im nächsten Bild das eigentlich oberhalb der Automatikbrücke liegende Antriebsrad A dazugesteckt:
Das Ronda R150 verfügt über eine beiseitig aufziehende Automatik. Das führt dazu, dass es einen Mechanismus geben muss, der dafür sorgt, dass sich ab einem bestimmten Punkt in der Räderkette der Automatik die Räder in dieselbe Richtung bewegen, egal wie herum der Rotor dreht. Hier besteht dieser Mechanismus aus einem Klinkenrad KL und einem Wechslerrad W (nicht Wechselrad!). Das erste Reduktionsrad R1 dreht sich dann immer in dieselbe Richtung. Dasselbe gilt dann auch analog für die hinter R1 liegenden Reduktionsräder R2 und R3. R3 kann man auch als Spannrad bezeichnen, da es letztlich über das Sperrrad S die Feder im Federhaus aufzieht. Die Reduktionsräder werden benötigt, um die schnelle Bewegung des Rotors in eine langsame Aufzugsbewegung des Sperrrades zu übersetzen.
Das Kronrad KR dient dazu, das Werk von Hand aufzuziehen. Da die Automatik das Sperrrad dreht, würde das Kronrad eigentlich mitdrehen. Dieses ist aber etwas beweglich gelagert, sodass es dem Rückwärtsdrehen ausweichen kann und einfach durchrutscht.
So weit, so gut, aber wie genau funktioniert das mit dem Klinkenrad und dem Wechslerrad?
Das Klinkenrad KL besteht aus zwei übereinander liegenden Rädern und einem Trieb. Im Inneren befinden sich eine Konstruktion aus kleinen Klinken, die dafür sorgt, dass sich das Trieb nur dann mit dreht, wenn sich mindestens eines der zwei Räder nach rechts dreht (von oben gesehen).
Wenn wir es also schaffen, dass die zwei unterschiedlichen Drehrichtungen des Rotors über das Antriebsrad A dazu führen, dass sich jeweils eines der Räder des Klinkenrades nach rechts bewegt, dann wird sich das Trieb unabhängig von der Drehrichtung des Rotors auch immer nach rechts bewegen. Entsprechend bewegt sich das von diesem Trieb angetriebene Reduktionsrad R1 auch immer im selben Drehsinn, usw. Hier kommt nun das Wechslerrad W ins Spiel. Es besteht aus zwei übereinanderliegenden Rädern, die starr miteinander verbunden sind (siehe Bild oben).
Das folgende Bild zeigt das Zusammenspiel der Komponenten:
Der Rotor dreht nach links, das davon angetriebene Antriebsrad A dreht also nach rechts, da bei jedem Übergang von einem Rad/Trieb zum anderen die Drehrichtung wechselt. Das mit A fest verbundene Trieb dreht ebenfalls nach rechts und treibt gleichzeitig das obere Rad des Klinkenrades KL sowie das obere Rad des Wechslerrad W an. Beide Räder drehen dann nach links. Jetzt kommt der Trick: das untere Rad des Wechslerrades W ist ja mit dem oberen fest verbunden und treibt nun das untere Rad des Klinkenrades KL an, das dadurch nach rechts dreht. An KL dreht also das obere Rad nach links, das untere Rad nach rechts. Wie oben erwähnt, genügt es, dass sich eines dieser zwei Räder nach rechts bewegt, damit sich das Trieb des Klinkenrades ebenfalls nach rechts bewegt, egal, in welche Richtung sich das andere Rad von KL bewegt!
Was passiert, wenn sich der Rotor nach rechts statt links dreht, ist dann schnell erklärt:
Am Klinkenrad KL dreht sich nun das obere Rad nach rechts, das untere nach links. Da sich wieder eines davon nach rechts dreht, dreht das Trieb des Klinkenrades ebenfalls wieder nach rechts und damit in dieselbe Richtung wie oben.
Unter Federhaus- und Räderwerkbrücke
Nach der etwas komplizierteren Technik der Automatik wird es nun wieder einfacher. Im nächsten Bild wurden die Unruh, die Federhausbrücke (links oben) und die Räderwerkbrücke (links unten) entfernt. Leider überdeckt beim R150 die Räderwerkbrücke die Federhausbrücke etwas, sodass die Federhausbrücke nicht entfernt werden kann, ohne auch die Räderwerkbrücke abzunehmen. Das ist nicht gerade reparaturfreundlich.
Auf der Federhausbrücke sieht man zwei kleine Besonderheiten des Werkes:
- Das Federhaus ist steingelagert (auch auf der Zifferblattseite)
- Die Sperrklinke greift hier ins Kronrad ein und nicht, wie sonst meist üblich, ins Sperrrad
Unter den Brücken kommt ein ganz klassischer Werkaufbau zutage, der keine Überraschungen birgt:
Der Kraftfluss erfolgt vom Federhaus F über das Großbodenrad G, das Kleinbodenrad K zur direkt angetriebenen Zentralsekunde ZS und von dort zum Ankerrad A.
Mit SS ist der Sekundenstopp gekennzeichnet. Wird die Krone ganz gezogen, drückt der kleine Hebel auf den Unruhreif (durch den blauen Kreis angedeutet), die Uhr bleibt also während des Zeigerstellens stehen.
Bis auf die Ankerbrücke und den Anker sind hier alle Teile auf der Brückenseite entnommen:
Die Zifferblattseite
Machen wir weiter mit der Zifferblattseite und nehmen zuerst die Datumhalteplatte ab.
Sehr schön gemacht: es gibt hier keine kleinen flugfähigen Federn, die sich beim Abheben der Datumhalteplatte ins Nirvana verabschieden.
Das Zeigerstellrad (roter Kreis im nächsten Bild) ist beweglich gelagert und dient in Abhängigkeit der Kronenposition dazu, entweder die Zeiger zu stellen (Krone ganz gezogen) oder über ein winziges Zwischenrad (grüner Kreis im Bild) den Datumkorrektor DK zu drehen (mittlere Position der Krone). Der Datumkorrektur wiederum dient dazu, das Datum von Hand zu verstellen.
Im Normalbetrieb schaltet das Datummitnehmerrad DM die Datumscheibe alle 24 Stunden um einen Tag weiter. Der Mechanismus auf dem Datummitnehmerrad sorgt dafür, dass die Weiterschaltung schlagartig um Mitternacht erfolgt und nicht schleichend.
Hier sind nun bis auf die Winkelhebelfeder und die darunter liegenden Teile alle Komponenten der Zifferblattseite entfernt:
Im Bereich der Winkelhebelfeder sieht es zunächst eher verwirrend aus:
Nimmt man die Winkelhebelfeder ab, wird es schon übersichtlicher. Auch hier findet sich zum Glück keine flugfähige Feder, sondern alle Federelemente wurde in die entsprechenden Bauteile integriert.
Gangwerte
So viel zur Theorie, aber wie gut läuft das Werk in der Praxis? Da das Werk noch sehr neu ist, gibt es natürlich noch keine Langzeiterfahrung.
Auf der Zeitwaage sind die Werte in jeder Lage sehr stabil, variieren aber durchaus deutlich in Abhängigkeit der Lage. Im Test lag die maximale Abweichung zwischen den Lagen bei 20 Sekunden pro Tag. Dies liegt im Rahmen der Angaben des Herstellers (max. 30 s/d).
Der Mittelwert des Ganges (über alle sechs Lagen) von ca. +8,5 Sekunden pro Tag ist nicht rekordverdächtig, aber in Ordnung.
Die Amplitude lag zwischen ca. 290 ° in den liegenden Positionen (Zifferblatt oben bzw. unten) und ca. 270° in den hängenden Positionen (Krone links, rechts, oben, unten). Und der Abfallfehler lag in allen Positionen zwischen 0,0 und 0,1 ms. Da gibt es also nichts zu meckern.
Fazit
Das R150 ist für Ronda sicher ein wichtiger Baustein zum Wiedereintritt in den Markt der mechanischen Werke. Technisch bietet es solide Hausmannskost ohne besondere Raffinessen. Der eine oder andere Produktionsschritt muss vielleicht noch etwas optimiert werden. Ich habe z. B. auf und neben dem Anker einige Ölspritzer gefunden, ebenso einen Ölklecks um den Winkelhebeldrücker.
Ein Werk, dass insbesondere bei kleineren Herstellern gut ankommen könnte, wenn diese Wert auf ein Schweizer Werk legen. Und wenn Ronda es schafft, hinreichend große Mengen in guter Qualität zu einem guten Preis zu produzieren. Leider ist das Werk wegen der etwas geringeren Bauhöhe nicht ganz einbaukompatibel zum ETA 2824-2 (4,4 vs. 4,6 mm), sodass das Gehäuse eventuell etwas angepasst werden muss. Die Stellwellenhöhe ist aber bei beiden Werken identisch, sodass es möglich ist, ein Gehäuse so zu konstruieren, dass sowohl das Ronda R150 als auch das ETA 2824-2 passt. Die Zeit wird zeigen, wie sich das Werk technisch bewährt und ob die Kunden es annehmen. Wünschenswert ist eine größere Auswahl am Markt für Uhrwerke allemal.
Habe gerade eine Invicta mit dem Ronda-Werk für 149 € bestellt. Invicta ist jetzt nicht der Sexy Name, aber 200m wasserdicht, Saphirglas ist fast geschenkt für den Preis. Eine Uhr mit dem 7750 von ETA gab es auch für 599 €.
Das ist in der Tat sehr günstig. Aber das Invicta-Design und die Größe der Uhren muss man mögen. Meine Fall ist beides nicht…
Bin Besitzer von ein Abeler&Sohne 1003
mit Ronda 150 d1 001 werk.
Habe es eine Woche jeden Tag kontrolliert mit Atomuhr und hat nur eine Abweichung von +. 5 sec in eine Woche. Bin sehr zufrieden 😀
Ein sehr schöner Bericht, vielen Dank dafür. Ich bin auf diese Beschreibung hier gestoßen, als ich nach dem Werk suchte, dass in der Curta-Uhr verbaut ist. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob der Preis für die Curta Uhr (fast 4.000,- CHF) gerechtfertigt ist, wenn man bedenkt, dass dieses Werk verbaut wurde. Nun sind allerdings auch bereits einige Jahre vergangen, so dass Ronda das Werk vielleicht qualitativ etwas hochwertiger baut..
Danke für den Testbericht. Bin aufgrund der Lilienthal Zeitgeist auf das Werk gekommen. Was kostet denn ungefähr so ein Kaliber? Ist ja sicher auch mengenabhängig..
Ein Preis mit Meteorit, Titangehäuse UND Automatikwerk für knapp über 1000 EUR erscheint mir sportlich.
Grüße, AS
Der Preis hängt sehr stark von der Abnahmemenge ab! Einzelstücke bekommt man als Endverbraucher derzeit für ca. 150 EUR.
Diese Uhr hatte auch mein Interesse geweckt, nicht zuletzt aufgrund der hier vorliegenden erstklassigen Werksbeschreibung. Den z.Zt. geforderten Preis von 1199€ halte ich persönlich für mehr als „sportlich“, ich finde es einfach überzogen, trotz Limitierung auf 999 Exemplare (wovon lt. Website erst 51% verkauft sind – also scheinen Sammler auch nicht wahllos zuzugreifen). In dieser Preisklasse gibt es auch von anderen deutschen Uhrenfirmen sehr schöne Modelle mit Automatikwerken aus schweizerischer Produktion.
V.G. Matthias Schmidt
Hallo Herr Kelz,
endlich habe ich es verstanden wie es sich mit dem beidseitig aufziehenden Rotor verhält.
Danke vielmals
Vielen Dank für die top Erklärungen mit Bildern zu diesem neuen Automatik-Werk von Ronda!
Lieber Herr Kelz,
Sehr erfreue ich mich jedesmal sehr über Ihre Berichte.
Diesmal also mit dem Ronda R150-Werk, ein gutes Alternatief für ETA-Werke. Es wurde mal Zeit, dass es sowas gibt damit der Kunde auch mal was anderes kaufen kann, wass nicht aus der Swatch Gruppe kommt. Ronda hat sehr gute und auch schöne Uhrwerke gebaut. Sie kennen wahrscheinlich auch das ältere Automatikwerk R2538 mit der Mikrorotor. Die R150 sieht recht gut aus.
Vielen Dank für Ihren Bericht!
Hans v.d. Heijden
Hallo Hans, Du bist ja wohl Niederländer, so bitte das nicht als Kritik verstehen, Dei Deutsch ist sehr gut. Ein kleiner Fehler aber, zauberte mir ein Lächeln auf die Lippen. Anstatt Alternativ, schreibst Du AlternaTIEF, ein sehr humorvoller Freudscher Verschreiber.
Ich hoffe für Ronda und uns Uhrenfreunde, dass dies kein TIEF, sondern ein Hoch in der Zukunft der mechanischen Uhren wird 🙂
Herzliche Grüße zu Dir und bleib gesund.
Woifi
Mir ist nicht ganz klar, ob das gut oder schlecht ist, wenn die Laserbeschriftung kaum leserlich ist. Stört sie dann auch nicht oder geht es darum, dass man sie lesen können sollte?
Hallo Fabian,
technisch stört das nicht, es ist nur optisch unschön.
Sehr guter Bericht – wie immer detailgenau und gut verständlich – Danke
Lieber Herr Kelz, da haben Sie sich richtig Mühe gegeben, um an eins dieser neuen Werke zu kommen! Vielen Dank für die interessante Dekonstruktion.