Der Bau der neuen Eisenbahnlinie von Basel nach Olten führte zu einer Umfahrung des Waldenburgertals, das zuvor einen regen Nah- und Fernverkehr erlebte, von dem die Bevölkerung auch wirtschaftlich profitierte.
Leider war die neu gegründete Firma nicht sonderlich erfolgreich, sodass sich in den ersten Jahren erhebliche finanzielle Defizite ansammelten. Schließlich verkaufte die Gemeinde den Betrieb 1859 an den Unternehmer Gédéon Thommen (geb. 1831) aus Waldenburg und den Uhrmacher Louis Tschopp aus Biel. Beiden waren bereits seit 1857 mit der Geschäftsführung der Firma betraut.
Sie strukturierten die Firma um, sodass sich bald erste Erfolge einstellten. Bereits 1869 schied Tschopp wieder aus dem gemeinsamen Unternehmen aus, da sich Thommen und Tschopp über die weitere Entwicklung der Firma nicht einig waren. Thommen wollte stark wachsen, Tschopp war diesbezüglich eher skeptisch. Da Thommen nun alleiniger Inhaber war, benannte er die Firma 1870 um in Gédéon Thommen – Uhrenfabrikation. Im gleichen Jahr ließ Thommen auch einen neuen Firmensitz errichten.
Er wollte, nach amerikanischem Vorbild, die Produktion der Einzelteile so umstellen, dass die Teile eines Uhrwerkes beliebig austauschbar waren. Bis dahin mussten viele Teile eines Werkes für jedes einzelne Werk aneinander angepasst werden. Dies war der Schlüssel für die erfolgreiche Expansion der Firma! Thommen ließ sich anscheinend das System der Auswechselbarkeit der einzelnen Werkbestandteile patentieren. Leider konnte ich dieses Patent nirgendwo finden. Das Schweizer Patentamt wurde schließlich erst 1888 gegründet!
1875 begann die Produktion von Uhren mit Ankerwerken, zuvor wurden nur solche mit Zylinderwerken hergestellt. Um weiter wachsen zu können, wurden 1885 zusätzliche Produktionsräume erstellt. 1890 war die Jahresproduktion auf ca. 13.000 Uhren angestiegen, während sie 1870 noch bei etwa 4.000 Uhrwerken pro Jahr lag. Als Markenname der Uhren wurde G. T verwendet.
Im Dezember 1890 verstarb Gédéon Thommen unerwartet. Sein 1864 geborener Sohn Alphonse, eines von neun Kindern von Gédéon Thommen, führt das Unternehmen weiter. Er hatte bereits 1892 in Waldenburg einen eigenen Betrieb gegründet, der Uhrenbestandteile und Schrauben produziert.
1905 wandelte Alphonse die Firma in eine Aktiengesellschaft um und nannte sie Thommens Uhrenfabriken A. G. Waldenburg. Mit der Rechtschreibung nahm man es schon damals nicht so genau, stand doch in vielen amtlichen Mitteilungen der Firmenname Thommen´s Uhrenfabriken A. G. Waldenburg. Der Deppenapostroph ist also keine Erscheinung der Neuzeit!
1908 änderte Thommen dann auch den Markennamen der Uhren: aus G. T wurde Revue. Ab 1915 wurde ein zweites Standbein der Firma entwickelt, die Herstellung von Cockpitinstrumenten für Flugzeuge. Daraus entstand schließlich 1936 die neu gegründete Thommen – Fluginstrumente AG. Auslöser dafür war ein Großauftrag des Schweizer Militärs.
1943 stellten circa 400 Mitarbeiter jährlich etwa 200.000 Uhren her, also etwa 500 Uhren pro Mitarbeiter. Um die Jahrhundertwende lag die Produktivität noch bei ungefähr 100 Uhren pro Mitarbeiter pro Jahr!
Alphonse Thommen leitete die Firma bis 1932 und war bis zu seinem Tod 1944 im Verwaltungsrat tätig. Von 1932 bis 1938 übernahm der Schwiegersohn von Gédéon Thommen, Hermann Straumann, die Leitung der Firma. Thommen und Straumann waren aus Altersgründen auf der Suche nach einem Nachfolger und fanden diesen in Straumanns Sohn, Dr. Roland Straumann, der 1938 in den Verwaltungsrat gewählt wurde. Roland Straumann gelang es schließlich, u. a. durch den Aufkauf kleinerer Aktienpakete, die Aktienmehrheit zu erlangen. Er war bis 1993 für die Firma tätig! Diese lange Zugehörigkeit suggeriert eine große Kontinuität in der Firmengeschichte, wie wir gleich sehen werden, waren die Zeiten aber alles andere als ruhig.
Um 1950 hatte Thommen alles, was eine Uhrenmanufaktur ausmacht. Selbst entwickelte Werke und Uhren, deren Bestandteile im eigenen Haus hergestellt wurden. Sogar die nötigen Maschinen und Werkzeuge wurden selbst entwickelt und gebaut. Einen wesentlichen Anteil daran hatte sicher der begnadete Konstrukteur Reinhard Straumann, der 1916 in die Firma eintrat. Er entwickelte nämlich die Zeitwaage (1926), die Nivarox-Spirale (um 1933) und die Nivaflex-Zugfeder (1948 patentiert)! Mit Hermann und Roland Straumann scheint er allerdings nicht verwandt gewesen zu sein.
1961 schlossen sich die Hersteller Thommen aus Waldenburg, Vulcain aus Le Locle, Phénix aus Delémont, Marvin aus La Chaux-de-Fonds und Buser Frères aus Niederdorf zur Manufactures d’Horlogerie Suisses Réunies SA (MSR) zusammen. Ziel war es, durch Aufteilung der Aufgaben die Konkurrenzfähigkeit zu erhöhen. Thommen war für die Herstellung von Uhrwerken zuständig. Von nun an wurden Revue-Uhren im Auftrag der MSR von Vulcain hergestellt, die Uhrenproduktion in Waldenburg also eingestellt. 1973 wurde auch Marvin aus La-Chaux-de-Fonds in die MSR aufgenommen. Die Gruppe hatte um diese Zeit etwa 600 Mitarbeiter.
Ab 1987 wurde der Doppelname Revue Thommen als Marke verwendet. Trotz aller Anstrengungen führte die Quarzkrise zum Konkurs eines Großteils der Schweizer Uhrenbranche. Durch den Konkurs der Vulcain und der Auflösung der MSR Holding wurde die Uhrenproduktion schließlich 1999 eingestellt. Die Kinder von Straumann-Beck verkauften dann die Lizenz zur Herstellung und zum Vertrieb von Werken und Uhren der Marke Revue Thommen im Jahr 2001 an die Grovana Uhrenfabrik AG in Tenniken in der Schweiz. Die Revue Thommen AG existierte weiterhin und produzierte diverse Systeme für die Luftfahrtindustrie. Schließlich wurde sie von einem russischen Technologieunternehmen übernommen.
Die Rechte an der Marke Vulcain gingen an einen anderen Investor. Zum großen Glück von Grovana meldete sich der Insolvenzverwalter von Vulcain und fragte, ob Grovana nicht die riesigen Vorräte an Revue Thommen-Werken und -Ersatzteilen haben wolle. Ohne Rechte am Namen Revue Thommen hatten diese nämlich nur noch Schrottwert. Natürlich wollte Grovana und so konnte mehr als zwei Millionen Teile gerettet werden. Außerdem alte Pläne und große Mengen an Stanzformen, die es erlaubten, fehlende Teile zu produzieren. Ein Schatz, mit dem sich für lange Zeit viele Uhren mit hochwertigen Werken bestücken lassen. Konkret ging es um die Kaliber GT 11, GT 12, GT 14, GT 44, GT 54, GT 55, GT 56, GT 82. Mehr oder weniger zufällig steht GT hier nun nicht mehr für Gédéon Thommen, sondern für Grovana Tenniken.2014 gibt die Grovana ihre Lizenz für die Produktion und den Vertrieb von Revue Thommen-Uhren an die GT Thommen Watch AG ab. Gegründet wurde die Firma im Jahre 2012 von Andreas Thommen, einem direkten Nachfahren von Gédéon Thommen aus der vierten Generation, und vier weiteren Partnern.
2015 erteilt die GT Thommen Watch AG der Swiss Initiative Limited (SIL) eine Lizenz für die Produktion und den Vertrieb der Uhrenmarke Revue Thommen. Schon 2016 erlosch die Lizenz aber wieder. Einen Revue-Uhrenkatalog 2017/18 findet man interessanterweise auf der Webseite von Grovana. Andreas Thommen hat mir dazu am 12.11.2018 folgendes per Email mitgeteilt: „Grovana hat keine Lizenz zur Herstellung und Verkauf von Revue Thommen-Uhren, kann aber alte Bestände abverkaufen„.
So viel zur Geschichte von Revue Thommen!
Vermutlich aus der Anfangszeit der Produktion bei Grovana stammt diese hübsche Holzbox mit Uhrwerken, die ich erwerben konnte:
Sechs Uhrwerke, vier davon mit Handaufzug, zwei mit Automatik. Ein Teil der Werk ist noch mit MSR punziert, nicht mit Revue Thommen. Und eines sowohl mit MSR als auch mit Revue Thommen.
Schauen wir sie uns näher an:
GT 12 = MSR K1:
Mit einem Durchmesser von 8 3/4 Linien (19,40 mm) ein Werk für Damenuhren. Handaufzug, kleine Sekunde, 17 Steine, Incabloc-Stoßsicherung, Gangreserve 42 h. Mit 19.800 A/h (Halbschwingungen der Unruh pro Stunde) nutzt Thommen eine eher ungewöhnliche Frequenz, typisch sind eher 18.000 bzw. 21.600 A/h. Das Werk wurde bereits 1961 von Thommen entwickelt.
GT 14:
Eine skelettierte Variante des GT 12. Ohne Sekunde, sonst technisch identisch mit dem GT 12.
GT 44 = MSR T44:
Mit einem Durchmesser von 11 1/2 Linien (25,60 mm) ein typisches Werk für Herrenuhren. Handaufzug, Zentralsekunde, 17 Steine, Incabloc-Stoßsicherung, 19.800 A/h. Auch dieses Werk wurde bereits 1961 von Thommen entwickelt.
Dieses Werk habe ich hier schon vorgestellt: Das MSR T44: vergoldet, skelettiert und technisch raffiniert
GT 54:
Durchmesser 11 1/2 Linien. Automatikversion des GT 44, beidseitig aufziehend. Zentralsekunde, 22 Steine, Incabloc-Stoßsicherung, 19.800 A/h, Gangreserve 42 h, kugelgelagerter Rotor. Ebenfalls bereits 1961 von Thommen entwickelt.
GT 56:
Durchmesser 11 1/2 Linien. Weitere Automatikversion des GT 44, beidseitig aufziehend. Modulaufbau für Zeigerdatum und indirekte kleine Sekunde bei 6H, 27 Steine, Incabloc-Stoßsicherung, 19.800 A/h, Gangreserve 42 h, kugelgelagerter Rotor. Auch hier fand die Entwicklung durch Thommen bereits 1961 statt.
Das Werk ist punziert mit GT 55, obwohl es ein GT 56 ist. Die Basis der zwei Werke ist identisch, beim GT 55 fehlt lediglich das Zeigerdatum.
GT 82 = MSR X1:
Ein relativ großes Werk mit einem Durchmesser von 13 Linien (29,00 mm). Handaufzug, kleine Sekunde, 17 Steine, Incabloc-Stoßsicherung, 18.000 A/h, Gangreserve 40 h. Gebaut wohl bereits um 1950, ursprünglich als Buser 180.
Meinem Sohn habe ich eine Revue Thomen taucher Uhr 300 m
wasserdicht geschenkt.Die Uhr ist sehr sauber verarbeitet, sowie
auch der Metallband ist sehr schoen.
Da ich ein Uhrenliebhaber bin ,was fuer ein automatic Werk ist drin?
Herzlichen Dank fuer Ihre Antwort im Voraus.
Freundliche Gruesse , Marko Vodeb, Muenchen.
Hallo Marko,
da ich diese Uhr nicht kenne, kann ich leider ohne Bild des Werkes nichts dazu sagen.