Werkehersteller mit nur einem Werk – Teil 2

Dies ist der zweite Teil der Vorstellung von Herstellern, die nur ein einziges Werk produziert haben. Wie auch im ersten Teil nehme ich es mit einem Werk nicht so genau, da auch einige dabei sind, die es auf zwei Werke gebracht haben. Und es geht wieder nur um Hersteller, die heute nicht mehr existieren.

Bevor wir starten, hier der Link zum ersten Teil dieser Serie:
Werkehersteller mit nur einem Werk – Teil 1

Grau & Hampel

Über die Firma Grau & Hampel aus Lindach bei Schwäbisch Gmünd in Deutschland ist herzlich wenig bekannt. Sie stellten Armbanduhren und Rohwerke her und waren mindestens zwischen den Jahren 1956 und 1966 aktiv. Das war es leider auch schon!

Von Grau u. Hampel gib es nur ein einziges Uhrwerk, das Kaliber 33:

Grau & Hampel 33

Das Werk ist auf der Zifferblattseite mit dem Logo von Grau u. Hampel sowie mit der 33 punziert, auf der Brückenseite mit CAL. 33. Verbaut war es in einer Damenuhr der Marke Konnexa, die allerdings nicht Grau & Hampel gehörte, sondern eine Gemeinschaftsmarke mehrerer Firmen war.

Logo Grau & Hampel

Technische Daten Grau & Hampel 33:

  • Abmessungen: 5 3/4 x 8 3/4´´´ (Französische Linien) (laut Hersteller 5 1/4…)
  • Schweizer Ankerhemmung
  • Stunde, Minute, ohne Sekunde
  • 15 Steine
  • Monometallische Schraubenunruh
  • Schlagzahl: 18.000 A/h (Halbschwingungen pro Stunde)
  • Keine Stoßsicherung
  • Wippenaufzug
  • Gesperr auf der Zifferblattseite

Im Flume Werksucher K2 von 1962 sind drei Varianten des Kalibers 33 verzeichnet:
I: Pfeilerbauweise, ohne Winkelhebelfeder
II: Massives Werk, ohne Winkelhebelfeder
III: Massives Werk, mit Winkelhebelfeder

Das oben gezeigte Werk ist also ein Grau & Hampel 33 II.

Humbert Etienne

Humbert Etienne wurde 1854 in Tramelan in der Schweiz geboren und verstarb im Mai 1918 auch dort. Er war nicht nur Uhrenfabrikant, sondern beteiligte sich aktiv am öffentlichen und politischen Leben. So war er u. a. von 1907 bis 1918 Bürgermeister von Tramelan-Dessus und von 1904 bis 1918 saß er als Abgeordneter der liberal-radikalen Fraktion im Großen Rat des Kantons Bern.

Eine ausführlichere Darstellung seines Wirkens und seines Uhrwerkes habe ich hier zusammengestellt: Vergessene Werkehersteller: Humbert Etienne

Etienne hat sich zwar im Schweizerischen Handelsamtsblatt einige Modelle von Uhrwerken registrieren lassen, nachweisen konnte ich aber bisher nur das Humbert Etienne 19´´´, das mangels einer genaueren Kaliberbezeichnung einfach mit seiner Größe von 19´´´ (Französische Linien) bezeichnet wird, was damals auch durchaus üblich war:

Humbert Etienne 19´´´

Technische Daten Humbert Etienne 19´´´:

  • Abmessungen: 19´´´
  • Schweizer Ankerhemmung
  • Stunde, Minute, kleine Sekunde
  • 15 Steine
  • Monometallische Schraubenunruh
  • Schlagzahl: 18.000 A/h (Halbschwingungen pro Stunde)
  • Keine Stoßsicherung

Das abgebildete Werk ist ein Savonnette-Werk, es gibt davon auch eine Lépine-Variante.

Die besondere Form des Unruhklobens und der darauf befindlichen Feinregulierung ließ sich Etienne 1904 im Schweizer Patent CH30478 patentieren:

Unruhkloben mit Patentnummer 30478

Schweizer Patent CH30478 – Ausschnitt

IMACO

Die IMACO A. G. Uhrenfabrik, auch IMACO S. A. Manufacture d´Horlogerie bzw. IMACO Ltd. Watch Manufactory wurde im Juli 1951 in Biel/Bienne in der Schweiz gegründet. Einziges Mitglied des Verwaltungsrates war Clytemnestra Bonapace. Die Gesellschaft war mit einem Grundkapital von 400.000 Schweizer Franken recht gut ausgestattet.

IMACO Bildmarke

1952 übernahm IMACO von der Firma Béguelin & Co. die Marke MITHRA und registrierte selbst in den Folgejahren einige Marken, z. B. IMACO als Bildmarke (s. o.), IMAC, BARLUX, ZOHEIR und PERILUX. Einige der Marken gab sie aber später wieder ab, z. B. MITHRA 1969 an die Basis Watch und BARLUX 1972 an die Joveba AG. Interessanterweise saß Clytemnestra Bonapace auch im Verwaltungsrat der Joveba AG, allerdings nicht alleine.

IMACO Werbung 1958

Wirtschaftlich schien es in den 1970ern schlecht zu gehen, da die IMACO A. G. im August 1981 das Aktienkapital von 400.000 auf 50.000 Schweizer Franken reduzierte, indem sie den Wert jeder Einzelaktie von 1.000 auf 125 Franken herabsetzte. Der Rest war für die Aktionäre verloren. Im November 1983 beschloss die Gesellschaft dann ihre Auflösung, im Juni 1984 wurde sie schließlich gelöscht.

Von IMACO gibt es zwei Uhrwerke, das Formwerk IMC 60 und das runde IMC 70.

IMC 60

Technische Daten IMC 60:

  • Abmessungen: 5 1/4 x 8 1/2´´´
  • Schweizer Ankerhemmung
  • Stunde, Minute, ohne Sekunde
  • 17 Steine
  • Monometallische Schraubenunruh
  • Schlagzahl: 18.000 A/h (Halbschwingungen pro Stunde)
  • Keine Stoßsicherung

Das Werk ist auf der Zifferblattseite mit IMC 60 in einem Dreieck punziert und dürfte aus der Zeit um 1955 stammen. Verbaut war es in einer Schmuckuhr der Marke MITHRA.

MITHRA mit IMC 60

Das IMC 70 ist wohl erst gegen 1960 entstanden. Im jährlich erscheinenden Indicateur Davoine hatte IMACO regelmäßig Anzeigen geschaltet. Vor 1960 wurde darin nur das Werk mit 5 1/4´´´, also das IMC 60, erwähnt, das Werk mit 8 3/4´´´ dagegen erst ab 1960. Leider konnte ich bisher weder ein Original noch eine Abbildung des IMC 70 finden. Immerhin gibt es dafür Ersatzteile, sodass das Werk zumindest existiert!

ITO / Benoit-Nicolet

Wir bleiben in Biel/Bienne in der Schweiz. Im Mai 1906 gründete Arnold Benoit-Nicolet dort die Firma A. Benoit-Nicolet. Im Januar 1910 benennt er sie um in A. Benoit-Nicolet, Ito Watch. Wenige Tage später registriert er auch die Marke ITO. 1918 zieht die Firma von Biel nach Pieterlen um. Der Ort liegt nur wenige Kilometer von Biel entfernt. Spätestens 1920 scheint die Firma wirtschaftliche Probleme bekommen zu haben, da es im September 1920 zu einem gerichtlich initiierten Nachlassvertrag mit den Gläubigern kam.

Schweizerisches Handelsamtsblatt 10/1920: Bestätigung des Nachlassvertrages

Im Juni 1921 wurde in Pieterlen die Firma Fabrique d’Ebauches de Perles S.A. gegründet. Sie übernahm mit Wirkung vom 01.10.2020 die Aktiva und Passiva der Firma von Benoit-Nicolet. Die fünf Verwaltungsräte waren vermutlich frühere Gläubiger von Benoit-Nicolet. Im Februar 1922 ist dann die Firma A. Benoit-Nicolet „infolge Verzichts des Inhabers“ erloschen.

ITO / Benoit-Nicolet 10 1/2´´´

Technische Daten ITO / Benoit-Nicolet 10 1/2´´´

  • Abmessungen: 10 1/2´´´
  • Schweizer Ankerhemmung
  • Stunde, Minute, kleine Sekunde
  • 15 Steine
  • Monometallische Schraubenunruh
  • Schlagzahl: 18.000 A/h (Halbschwingungen pro Stunde)
  • Keine Stoßsicherung

Die Zifferblattseite ist mit ITO im Oval punziert, das Werk ist als Benoit 10 1/2´´´ im Swartchild-Werksucher von 1946 verzeichnet.

ITO-Punze auf dem Werk

Ich vermute, dass das Werk sehr viel älter ist und aus der Zeit um 1920 stammt. Das Werk gibt es auch mit einer minimal geänderten Räderwerkbrücke, bei der die Spitzen abgerundet sind:

ITO / Benoit-Nicolet 10 1/2´´´ mit anderer Räderwerkbrücke

Jayco

Nun wird es etwas exotisch, wir schauen nämlich nach Indien. Genauer gesagt, auf eine deutsch-indische Kooperation!
1978 übernahm der bisherige Repräsentant der deutschen Uhrenfirma Bifora im mittleren Osten, der indische Großkaufmann Hiranand Gajria, die Bifora. In Schwäbisch Gmünd führt er zunächst mit 150 Mitarbeitern die Fertigung von Quarzuhren weiter. Die Fertigung mechanischer Uhren wurde nach Bangalore/Indien verlagert. Die Produktion in Deutschland wurde 1983 endgültig eingestellt und das Werk geschlossen. Auch in Indien wurde die Uhrenproduktion in den 1990ern eingestellt.

In der Tat wurden nicht nur Uhren der Marke Jayco in Indien hergestellt, sondern für diese auch Bifora-Kaliber 91/1 SC montiert und vermutlich sogar komplett gebaut. Das Bifora 91/1 SC wurde dadurch zum Jayco 91.

Sehr viel mehr Hintergrundinfos dazu habe ich hier zusammengestellt:
Bifora und Jayco, eine deutsch-indische Kooperation

Jayco 91

Technische Daten Jayco 91

  • Abmessungen: 9 3/4´´´
  • Schweizer Ankerhemmung
  • Stunde, Minute, indirekte Zentralsekunde
  • 17 Steine
  • Nickel-Unruh
  • Schlagzahl: 18.000 A/h (Halbschwingungen pro Stunde)
  • Stoßsicherung: Novodiac

Die Jayco 91-Werke sind mit J im Kreis und 91 punziert, und das meist spiegelverkehrt!

Punzierung J 91 spiegelverkehrt

La Pive / Krentel

Wir gehen wieder zurück in die Schweiz. 1889 gründete Gustave Krentel in Saignelégier die Uhrenfirma G. Krentel. 1913 wurde daraus die La Pive Watch Co, G. Krentel & Cie.

Marke LA PIVE

Auch zu dieser Firma habe ich schon mal ausführlicher berichtet:
La Pive Watch Co, G. Krentel – Schweiz, England und Brasilien

1904 registrierte G. Krentel im Schweizerischen Handelsamtsblatt ein Modell eines Uhrwerkes:

Über genau dieses Uhrwerk bin ich dann eines Tages gestolpert. Es gibt eine ältere und eine neuere Version davon, die sich aber nur unwesentlich voneinander unterscheiden:

La Pive / Krentel 18 3/4´´´ – älteres Modell
La Pive / Krentel 18 3/4´´´ – neueres Modell

Technische Daten La Pive / Krentel

  • Abmessungen: 18 3/4´´´
  • Zylinderhemmung
  • Stunde, Minute, kleine Sekunde
  • 6, 8 Steine
  • Messing-Unruh
  • Schlagzahl: 18.000 A/h (Halbschwingungen pro Stunde)
  • Ohne Stoßsicherung
  • Schlüsselaufzug
Taschenuhr mit La Pive / Krentel 18 3/4“‘

Meine Liste mit Hersteller, die nur ein oder zwei Werke hergestellt haben, ist noch nicht erschöpft. Es geht also irgendwann mit Teil 3 weiter…

Hier geht es zurück zu Teil 1 dieser Serie: Werkehersteller mit nur einem Werk – Teil 1

Und hier weiter zu Teil 3: Werkehersteller mit nur einem Werk – Teil 3

 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert